Die Toten befehlen
Jahrhunderte ließ es nicht zu.
Jaime bewegte sich unruhig in seinem Bett. Er fand keinen Schlaf ... Die Febrer! Welche ruhmvolle Vergangenheit! Und wie schwer sie auf ihm lastete, wie eine Sklavenkette, die sein gegenwärtiges Elend noch fühlbarer machte!
Der wahre Ruhm des Hauses begann im Jahre 1541 mit der Ankunft von Kaiser Karl V. Eine Flotte von dreihundert Segelschiffen unter dem Kommando des großen Seemannes Andreas Doria warf Anker in der Bucht von Palma. Achtzehntausend Kriegsleute hatte der Kaiser aufgeboten, um Algier zu erobern: Spanier unter Gonzaga, Deutsche unter dem Befehl vom Herzog Alba, Italiener unter Colonna, außerdem zweihundert Malteserritter, geführt vom Komtur Don Priamo Febrer.
Mallorca empfing den Herrn von Spanien und Indien, von Deutschland und Italien mit großen Festen. Die Blüte des kastilischen Adels, die dem Kaiser auf diesem heiligen Kriegszuge folgte, wurde auf das beste aufgenommen in den Häusern der Ritterschaft von Mallorca. Im Palaste der Febrer weilte als Gast ein Edelmann, der, erst vor kurzer Zeit aus dem Nichts hervorgegangen,durch seine heldenhaften Abenteuer und märchenhaften Reichtümer überall Bewunderung erregte. Es war der Marquis del Valle de Huaxaca, Ferdinand Cortez, der von der Eroberung von Mexiko zurückkehrte. Ein königlicher Glanz umgab ihn. An der Brücke seiner Galeere strahlten drei riesengroße Smaragden, die auf mehr als hunderttausend Dukaten geschätzt wurden. Der eine war als Blume geschnitten, der andere als Vogel, der dritte als Glocke mit einer großen grauen Perle als Klöppel. In dem Gefolge des Marquis gab es manche, die ihn in die fernen Länder begleitet und deren seltsame Gebräuche angenommen hatten, magere Hidalgos mit gelber Gesichtsfarbe, die schweigsam die Stunden der Siesta damit verbrachten, zusammengerollte Kräuter zu entzünden und Rauch aus ihrem Munde zu stoßen, wie innerlich brennende Dämonen.
Die Damen des Hauses Febrer bewahrten von Generation zu Generation einen großen, ungeschnittenen Diamanten, den ihnen Ferdinand Cortez als Dank für die fürstliche Gastfreundschaft überreicht hatte.
Die Flotte verließ Palma im Oktober und landete auf dem Strande von Hamma. Die Höhen, die Algier umgeben, wurden erstürmt, und die Belagerung begann. Die Mauren benutzten ein furchtbares Unwetter, um einen Ausfall zu machen. Das christliche Heer, vollkommen überrascht, wurde beinahe zersprengt. Nur der Komtur Don Priamo Febrer hielt stand mit einer Handvoll seiner Ritter und gab den Spaniern und Deutschen Zeit, sich wieder zu sammeln. Ihrem ungestümen Angriff konnten die Mauren nicht widerstehen, sie mußten zurück. Don Priamo, an Kopf und Bein verwundet, verfolgte die weichenden Ungläubigenbis unter die Mauern von Algier und stieß zum Zeichen, wie weit er vorgedrungen war, seinen Dolch in ein Tor der Stadt.
Bei einem andern Ausfall war der Ansturm der Mauren so erbittert, daß die Italiener wichen, bald darauf auch die Deutschen. Der Kaiser, rot vor Zorn, weil seine Kerntruppen flohen, zog das Schwert, ergriff seine Standarte und rief seinem glänzenden Gefolge von Rittern zu:
»Vorwärts, Señores! Wenn ihr mich fallen seht, hebt erst die Standarte auf, dann mich!«
Die Wucht dieser Schwadron von Eisen warf die siegreichen Mauren zurück. Zweimal geriet der Kaiser in Lebensgefahr, und beide Male rettete sein Leben ein Febrer, der älteste Bruder von Don Priamo, der sich dem Zuge auf Mallorca angeschlossen hatte. Als der blutige Tag zu Ende war, empfing Febrer eine königliche Belohnung. Im Angesicht des ganzen Heeres hängte ihm der Kaiser seine goldene Kette um.
Von allen seinen Vorfahren war es Priamo Febrer, der Jaimes Phantasie am meisten beschäftigt hatte. Ein Streiter der Kirche, mußte er bei seinem Eintritt in den Malteserorden das Keuschheitsgelübde ablegen, was ihn aber nicht abhielt, auf seiner Galeere immer schöne Mädchen mit sich zu führen. Sooft die Ordensgeistlichen ihm mit der Exkommunikation drohten, lachte er ihnen diabolisch ins Gesicht, und wenn der Großmeister ihm seinen unreinen Lebenswandel vorhielt, richtete er sich stolz auf und sprach von den siegreichen Seeschlachten, die das Kreuz von Malta ihm verdankte.
Sein Name war an der ganzen Mittelmeerküste, wo immer Ungläubige wohnten, bekannt. Die Mohammedanerfürchteten ihn wie den Teufel, und ihre Frauen brachten die schreienden Kinder zum Schweigen mit der Drohung: der Komtur Febrer kommt. Dragut, der größte türkische Korsar,
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