Die Toten befehlen
die Verbindung eines Butifarra mit einer Chueta verurteilen. Die Tradition der Insel wollte respektiert sein. Nicht einmal die Fremden, die frei von Vorurteilen nach Mallorca kamen, entgingen dem Einfluß dieses Rassenhasses, mit dem die Atmosphäre geladen schien.
»Einmal«, fuhr Valls fort, »kam ein belgisches Ehepaar hierher, das mir durch einen Freund in Antwerpen empfohlen war. Ich erwies ihm alle möglichen Dienste und Gefälligkeiten, sagte aber: seien Sie vorsichtig, vergessen Sie nicht, ich bin ein Chueta. Die Dame nannte unsere Zustände barbarisch und lachte über die rückständigen Ideen der Insel. Allmählich sahen wir uns weniger. Als wir uns nach einem Jahre auf der Straße trafen, schauten sie erst nach allen Seiten, bevor sie mich begrüßten. Wenn wir uns heute begegnen, sehen sie fort...«
»Aber wünschest du nicht selbst, daß die Deinigenemporkommen?« fragte Jaime. »Ereiferst du dich nicht ständig darüber, daß alle, die aus der Judengasse stammen, zu einer untergeordneten Klasse gezählt werden? Welch besseres Mittel, gegen diese Vorurteile anzugehen, als meine Heirat!«
Der Kapitän bewegte abwehrend seine Hand. Auch sie würde nichts ändern. Schon in früheren Zeiten, in vorübergehenden Epochen der Toleranz, waren solche Heiraten vorgekommen. Aber der Haß lebte weiter, nur mit dem Unterschiede, daß er nicht mehr so offen zutage trat.
»Außerdem«, sagte Valls mit Betonung, »Versuche sind gefährlich und kosten Opfer. Wenn du solchen Eifer hast, diese Erfahrung zu machen, so kannst du ja irgendeine andere wählen, nur nicht gerade meine Nichte!«
Als Febrer stumm verneinte, fragte ihn Pablo mit maliziösem Blick:
»Bist du vielleicht verliebt in Catalina?«
»Verliebt? ... Nein, verliebt bin ich nicht. Aber Liebe ist ja auch nicht unbedingt notwendig zur Heirat. Catalina ist sympathisch und wird ein guter Kamerad sein.«
Der Kapitän lächelte boshaft:
»Sprechen wir doch wie alte Freunde, die das Leben kennen. Mein Bruder müßte dir noch sympathischer sein als seine Tochter, denn er wird zweifellos deine ganzen Schulden bezahlen. Möglich, daß er weint über das viele Geld, das du ihn kostest, aber er hat nun einmal eine Schwäche für alte, berühmte Namen, und das wird ihm über den Schmerz hinweghelfen.«
Febrer sah den Kapitän feindselig an:
»Es ist besser, wir sprechen über die ganze Angelegenheitnicht mehr, wenn wir Freunde bleiben wollen ...«
»Gut, schweigen wir«, sagte Valls, »aber ich betone nochmals, daß ich protestiere, und zwar aus Interesse für dich und für sie.«
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. In Palma angekommen, trennten sie sich mit einem kühlen Gruß, ohne sich die Hand zu geben.
Es dunkelte, als Jaime sein Haus betrat. Madó Antonia hatte auf einen Tisch im Vorsaal eine kleine Öllampe gestellt, deren dürftiges Licht vergeblich gegen die tiefen Schatten in dem großen Raum ankämpfte.
Pèp mit seinen Kindern war schon fort. Nach dem Frühstück hatten sie sich die Stadt angesehen und dann den Herrn bis vor kurzem erwartet. Sie mußten die Nacht auf dem Schoner zubringen, da der Eigentümer schon vor Tagesanbruch unter Segel gehen wollte. Madó sprach von ihnen mit gutmütigem Interesse:
»Wie haben sie nicht alles bewundert! Und Margalida! Wie hübsch ist das Mädchen!«
Aber was die gute Madó Antonia erzählte, hatte wenig zu tun mit ihren eigentlichen Gedanken. Während sie dem Herrn in sein Schlafzimmer folgte, sah sie ihn verstohlen an, um vielleicht aus seinem Gesichtsausdruck etwas erraten zu können. Heilige Jungfrau von Lluch, was mochte sich wohl in Valldemosa ereignet haben? Wie stand es mit dem tollen Vorhaben, von dem der Herr ihr während des Frühstücks gesprochen hatte?
Doch Jaime war sehr schlechter Laune. Er sagte ihr nur kurz, daß er im Kasino speisen würde. Bei demLichte eines Armleuchters wechselte er seinen Anzug und ließ sich dann von Madó den riesigen Hausschlüssel geben, um sie nicht zu wecken, falls er zu später Stunde heimkehren sollte. Es schlug neun Uhr, als er sich zum Kasino aufmachte. Unterwegs sah er in einem Café seinen Freund Toni Clapes, den berühmten Schmuggler. Toni fiel auf durch seine ungewöhnliche Größe. Trotzdem er wie ein Bauer gekleidet ging, mit weißen Sandalen und ohne Krawatte, wurde er in allen Cafés und Klubs stets sehr zuvorkommend empfangen. Im Kasino respektierten ihn die Herren, weil er ganze Bündel Banknoten setzte und mit der größten
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