Die Toten befehlen
Fremden aus dem Wege zu räumen.Ihr Stillschweigen ist äußerst beunruhigend. Nur der Cantó läuft wie ein wildgewordener Hammel umher und schreit überall, er wollte Sie töten.
Die Burschen haben keinen Respekt mehr vor Ihnen, Don Jaime. In der Gewitternacht waren sie noch wie betäubt. Ich selbst wußte nicht, ob ich meinen Augen trauen sollte, trotzdem ich schon seit einiger Zeit das Gefühl hatte, daß Ihnen Margalida nicht gleichgültig war. Sie fragten mich zuviel nach ihr aus. Jetzt ist die erste Bestürzung der Atlòts vorbei, und sie werden sicher etwas unternehmen. Sie haben ja auch Grund dazu. Noch nie hat ein Fremder in San Jose die tapfersten Atlòts der Insel beiseitegedrängt.«
Der Stolz auf seine Heimat riß das Kaplanchen hin, für einen Augenblick die Meinung der anderen zu teilen. Aber bald gewann seine Dankbarkeit und Zuneigung für Febrer wieder die Oberhand.
»Doch das ist jetzt gleichgültig. Sie wollen Margalida haben, und das genügt. Warum soll meine Schwester später auch Feldarbeit verrichten, wenn ein Herr wie Sie sich mit ihr verheiraten will! Übrigens« – hier lächelte der kleine Frechling spitzbübisch – »paßt diese Heirat mir persönlich sehr. Sie denken sicher nicht daran, unser Land zu bebauen, sondern werden mit Margalida fortgehen. Dann hat der Vater keinen Schwiegersohn mehr, dem er Can Mallorqui übergeben kann und...adieu, Soutane! Don Jaime, Sie bekommen Margalida. Hier stehe ich, das Kaplanchen, um mit der halben Insel für Sie zu kämpfen!«
Er schaute umher, als befürchtete er, den langen Schnurrbart und die ernsten Augen des alten Gendarmen zu erblicken. Dann versenkte er mit kriegerischerGebärde seine Hand in die Schärpe und zog ein Dolchmesser hervor, dessen Blitzen ihn zu hypnotisieren schien.
»Nun?« sagte er und ließ die Augen zwischen dem blanken Stahl und Febrer hin und her wandern.
Als Jaime ihm am vorhergehenden Tage das Geschenk überreichte, hatte er, seiner frohen Laune folgend, den Kleinen niederknien lassen und ihn mit dem neuen Messer feierlich zum Ritter des Kirchspiels San José und aller benachbarten Klippen geschlagen. Das Kaplanchen war tiefernst gewesen, da er das Ganze für eine unerläßliche Zeremonie der Herren hielt.
»Nun?« wiederholte Pepet und warf Don Jaime einen Blick zu, als ob dieser nun nichts mehr zu befürchten hätte.
Seine Finger fuhren leicht über die Schneide. Dann drückte er die Spitze ein klein wenig in die Handfläche. Welch ein Juwel!
»Mit dieser Waffe brauchen wir niemanden zu fürchten, weder den Ferrer noch den Cantó. Sie sollen nur kommen! Je eher ich diese Klinge gebrauchen kann, desto besser! ... Wer es wagt, etwas gegen Sie zu unternehmen, spielt mit seinem Leben.«
Pepet verwahrte das geliebte Dolchmesser wieder sorgsam im Gürtel.
»Sie kommen doch heute abend zum Festeig, Don Jaime? Also bis nachher!«
Bei Einbruch der Nacht bereitete sich Febrer vor, nach Can Mallorqui zu gehen. Bevor er den Burnus über die Schulter warf, prüfte er seinen Revolver und auch die Patronen, ob sie vielleicht durch Feuchtigkeit gelitten hätten. Dem Ersten, der Händel anfinge, würde er die sechs Kugeln unbedenklich in den Kopfjagen. Ein barbarisches Gefühl, das keine Schonung kannte, erwachte in ihm, wie es seine Vorfahren gehabt haben mochten, als sie an feindlichen Küsten landeten und ohne Gnade alles niedermachten, um nicht selbst getötet zu werden.
Zwischen den Tamariskenbüschen stieg er den Abhang hinunter, die eine Hand am Kolben seines Revolvers. Als er beim Gehöft ankam, sah er am Eingang eine Reihe von Atlòts, die darauf warteten, daß die Familie ihr Abendessen beendete. Brennende Zigaretten, die wie rote Pünktchen in der Dunkelheit glimmten, verrieten die Anwesenheit anderer Gruppen im Innern der Veranda.
»Bòna nit!« grüßte Febrer.
Aber nur ein leises Brummen kam als Antwort. Die halblaut geführten Unterhaltungen hörten auf, und ein feindseliges Stillschweigen verbreitete sich in der Veranda.
In Jaime, der sich in selbstbewußter Haltung an einen Pfeiler lehnte, stieg eine gewisse Erregung auf, die aber nichts mit Furcht zu tun hatte. Die Feinde, die ihn umgaben, vergaß er beinahe, dachte jedoch mit Unruhe an Margalida. Er empfand die Schauer des Liebenden, der die Nähe der Geliebten fühlt und zu gleicher Zeit ihr Erscheinen fürchtet und herbeisehnt. Unwillkürlich kamen ihm auch Erinnerungen an die Vergangenheit, und lächelnd dachte er an Miß Mary. Vielleicht würde
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