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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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sie ihn mit einem ländlichen Siegfried vergleichen, der den Drachen, den Hüter des Schatzes von Ibiza, tötet. Und seine alten Freundinnen in Madrid und Paris! Er stellte sich ihr Gelächter vor, wenn sie ihn jetzt sähen, als Bauer gekleidet und entschlossen, Rivalen mit der Kugel ausdem Wege zu räumen, um ein Bauernmädchen zu heiraten. Und wenn sie ihn sähen?... Margalida war mehr wert, als alle Frauen, die er bisher kennengelernt hatte.
    Die Tür öffnete sich, und in ihrem erleuchteten Rahmen erschien Pèp, der wohlwollend zum Nähertreten einlud und die Atlòts begrüßte.
    Als er Febrer erkannte, war er sichtlich betroffen. Wie konnte nur Don Jaime zusammen mit den anderen draußen warten, anstatt sofort in das Haus zu treten, das ihm doch ganz zur Verfügung stand. Febrer zuckte mit den Achseln. Er wollte keine Vorrechte haben, nur ebenso behandelt werden, wie die übrigen. Im stillen hoffte er auch, schneller an sein Ziel zu gelangen, wenn man sich seiner früheren Stellung als Respektsperson möglichst wenig erinnerte.
    Pèp bat ihn, an seiner Seite Platz zu nehmen, und versuchte, ihn zu unterhalten. Aber Febrer achtete wenig auf seine Worte. Er ließ Margalida nicht aus den Augen, die mit der Miene einer schüchternen Königin die bewundernden Huldigungen ihrer Verehrer empfing.
    Nicht wie sonst herrschte fröhliche Unterhaltung, noch hörte man Scherze und Lachen. Mit gesenkten Blicken und zusammengekniffenen Lippen verharrten die Atlòts in Stillschweigen, als ob nebenan ein Toter aufgebahrt wäre. Die Gegenwart dieses Fremden lastete auf ihnen. Verfluchter Eindringling von Mallorca!...
    Als jeder der jungen Burschen Margalida von seiner Liebe und seinen Wünschen gesprochen hatte, erhob sich Febrer rasch und schritt zu ihr hinüber. Pèp blieb mit offenem Munde sitzen, denn Jaime verließihn, ohne abzuwarten, daß er den angefangenen Satz beendigte.
    Niemand regte sich. Die Atlòts waren begierig, auch das leiseste Wort des Fremden zu hören. Doch Pèp, der ihre Absicht erriet, begann sofort mit seiner Frau und Pepet eine laute Unterhaltung über die Feldarbeiten es nächsten Tages.
    »Margalida! Mandelblüte!«
    Zärtlich schmeichelte sich Febrers Stimme in ihr Ohr:
    »Ich bin gekommen, um dich von meiner Liebe zu überzeugen. Es ist eine echte, große Liebe, die mich treibt, nicht eine Laune, wie du neulich annahmst. Ich weiß selbst nicht, wann und wie dieses Gefühl in meinem Herzen aufgekeimt ist. Zuerst litt ich unter der Einsamkeit im Turm und empfand eine unbestimmte Sehnsucht, den Wunsch, geliebt zu werden. Lange habe ich geschwankt und gezweifelt, bis ich endlich den Weg fand, der zum Glück führt. Du bist das Glück, Margalida, Mandelblüte! Ich bin nicht mehr jung, ich bin jetzt auch arm, aber ich habe dich sehr lieb! Sage mir ein Wort, nur ein einziges Wort, weiter nichts, damit die Ungewißheit, in der ich lebe, aufhört.«
    Margalida hob langsam den gesenkten Kopf.
    »Nein, nein!« sagte sie. »Bitte, gehen Sie fort, ich habe große Furcht!« Und mit einem schnellen Blick streifte sie alle diese braunen Gesichter, deren schwarze Augen die beiden zu verbrennen schienen.
    Furcht! ... Dieses Wort genügte für Febrer, um sich aus seiner bittenden, gebeugten Stellung emporzurichten und auf die in der Nähe sitzenden Rivalen einen verächtlichen Blick zu werfen. Furcht? Vorwem? Er war Mannes genug, um es mit allen diesen Burschen samt ihren unzähligen Verwandten aufzunehmen.
    »Du darfst keine Furcht haben, Margalida, weder für dich, noch für mich. Beantworte lieber meine Frage. Darf ich hoffen?«
    Aber das angsterfüllte Kind blieb stumm. Mit blutlosen Lippen und bleichen Wangen senkte Margalida tief den Kopf, um ihre feuchten Augen zu verbergen. Mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen, denn ihre Tränen hätten in dieser haßerfüllten Atmosphäre das Zeichen zum Kampf sein können. Ihre Mutter, die nahe beim Herde Körbchen flocht, erriet mit dem Instinkte der Frau, wie das junge Mädchen litt. Glücklicherweise machte Pèp, der den angstvollen Blick seiner Tochter beobachtet hatte, der peinvollen Situation ein Ende und rief: »Halb zehn!«
    Die Atlòts waren überrascht und protestierten. Noch fehlten einige Minuten, und Pèp müßte das Übereinkommen innehalten. Aber dieser Starrkopf war taub gegen alle Einwände, ging zur Tür, öffnete sie weit und rief nochmals: »Halb zehn!«
    Die Atlòts, die keinen Widerspruch mehr wagten, kamen der Reihe nach an ihm vorbei, um sich zu

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