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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Sitten verspotten und die Bauern von Ibiza für Halbwilde halten. Aber man sollte unsere Gebräuche respektieren und uns bei den wenigen Gelegenheiten, froh zu sein, nicht stören.«
    Febrer hatte schweigend zugehört und antwortete jetzt bekümmert:
    »Mein lieber Pèp, ich habe nie die geringste Absicht gehabt, mich über euch lustig zu machen! Damit du es ein für allemal weißt, ich bewerbe mich um Margalida, ebenso wie dieser widerliche Vèrro, der Cantó und alle die jungen Burschen, die bei dir zusammenkommen, um ihr den Hof zu machen. Neulich nachts nahm ich am Festeig teil, weil die Qual für mich zu groß wurde und ich mir endlich klar darüber geworden war, was mir fehlte. Ich liebe Margalida und werde mich mit ihr verheiraten, ... vorausgesetzt, daß sie mich will.«
    Der ernste und bewegte Ton seiner Worte nahm Pèp jeden Zweifel.
    »Also doch!« rief er aus. »Dann hat mir die Atlòtaja die Wahrheit gesagt, als ich sie nach dem Grunde Ihres Besuches fragte. Aber ich legte ihren Worten keine Bedeutung bei, denn junge Mädchen sind immer sehr von sich eingenommen und glauben, daß alle Männer ihretwegen den Kopf verlieren. – Also ist es wahr!«
    Diese Gewißheit kam ihm so komisch vor, daß er lächeln mußte.
    »Aber, Don Jaime! Mit diesem Beweise der Wertschätzung tun Sie mir und meiner Familie eine große Ehre an. Das Schlimmste ist nur, daß die Atlòta übermütig wird und sich einbildet, sie wäre würdig, einen Prinzen zu heiraten. Die Bauernburschen werden ihr nicht mehr passen. Nein, Herr, das kann nicht sein. Nicht wahr, Sie sehen selbst die Unmöglichkeit ein? – Ich bin auch jung gewesen und weiß, was das bedeutet. Man geht jedem Mädchen nach, das nicht gerade häßlich ist. Aber dann überlegt man und läßt die Dummheiten beiseite. Sie haben doch sicher inzwischen überlegt, Don Jaime? Ihr Besuch neulich abends war nur eine Laune, nicht wahr?«
    Febrer schüttelte energisch den Kopf.
    »Nein, Pèp, es handelt sich nicht um eine Laune. Ich liebe Margalida und werde tun, was meine Liebe von mir verlangt. Lange Zeit bin ich ein Sklave meiner Skrupel und Vorurteile gewesen, aber in Zukunft wird nur mein eigener Wille ausschlaggebend sein. Ich liebe Margalida und verlange dieselben Rechte wie irgendein anderer Bewerber. Und damit Schluß!«
    Pèp, außer sich über diese Worte, die seine Ehrfurcht vor der Tradition aufs tiefste verletzten, erhob die Arme zum Himmel.
    »Siñor, Siñor!«
    Er hatte den Allmächtigen als Zeugen notwendig, um seinen Schreck und seine Verwirrung auszudrücken. Ein Febrer wollte sich mit einem Bauernmädchen von Can Mallorqui verheiraten! Dieses Vorhaben stieß alle Gesetze der Natur um, und es kam ihm vor, als ob das Meer die Insel überflutete und seine Mandelbäume auf den Wogen blühten. Hatte sich Don Jaime Rechenschaft darüber abgelegt, was sein Wunsch bedeutete?
    Der tiefe Respekt und die religiöse Ehrfurcht vor den »Gebietern« von Mallorca, die ihm von seinen Eltern eingeflößt waren und die in den langen Jahren der Dienstbarkeit in seiner Seele immer tiefer Wurzel gefaßt hatten, empörten sich gegen einen Plan, der die ganze soziale Stufenleiter umriß und sich über den Willen Gottes hinwegsetzte.
    »Und wollen Sie wirklich, Don Jaime, daß ich, der arme Pèp von Can Mallorqui, ein Verwandter werden soll von Ihrem Herrn Vater, der in Madrid im Palast des Königs wohnte, mit ihm Karten spielte und so vertraut umging wie ich mit meinen Freunden in der Taverne von San José? Nein, Don Jaime, Ihr Ernst hat mich getäuscht. Der Nachkomme einer so edlen Familie kann sich nicht mit armen Bauern verbinden wollen.«
    Jaime streifte mit einem Blick die Ausstattung seines Turmes und antwortete lächelnd:
    »Aber Pèp, du bist doch reich im Vergleich zu mir. Warum an meine Vorfahren denken, wenn ich nur mit deiner Unterstützung lebe? Hießest du mich gehen, wüßte ich nicht, wohin mich wenden.«
    Wieder erschien der ungläubige Ausdruck, mit dem Pèp derartige Äußerungen stets aufzunehmen pflegte, auf seinem Gesicht. Arm! Und gehörte dem Herrn nicht der Turm? ...
    Febrer mußte lachen. Bah! Ein paar alte Steine, die ihres Daseins so müde waren, daß sie beinahe zusammenfielen, und ein brachliegender Berg, der nur Wert erhielt, wenn Pèp ihn bearbeiten würde!
    Aber der Bauer gab nicht nach. Und der Besitz auf Mallorca? Wenn auch der größte Teil verlorenging, so blieb doch immer noch viel übrig. Viel! Er breitete seine Arme weit aus, als wäre es

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