Die Toten befehlen
verabschieden. Als Jaime ihm gute Nacht sagte, versuchte Pèp, ihn zurückzuhalten, und bat, seine Begleitung bis zum Turme anzunehmen. Bei diesen Worten schaute er unruhig auf den Ferrer, der hinter den anderen zurückgeblieben war und sichtlich sein Fortgehen verzögerte.
Anstatt zu antworten, befreite Febrer seinen Arm mit einer ungestümen Bewegung und verließ das Haus. Sah er aus, als hätte er Begleitung notwendig!Er war bekümmert über Margalidas Stillschweigen, das ihm wenig Hoffnung ließ, und voll Wut über die feindselige Haltung der Burschen. Auch fühlte er sich gekränkt durch Pèps seltsame Art, den Abend plötzlich abzubrechen.
Die Atlòts zerstreuten sich. Aber nicht wie sonst ertönten frohe Zurufe und Lieder. Das Dunkel der Nacht schien Tragisches zu bergen.
Ohne rückwärts zu schauen, verfolgte Febrer seinen Weg. Von dem Wunsche erfüllt, einem Feinde zu begegnen, ließ er sich öfter durch das Rascheln der vom Nachtwind bewegten dürren Zweige irreführen und lauschte angestrengt in die Dunkelheit.
Als er bei dem dichten Gestrüpp am Fuß des Hügels ankam, drehte er sich um und wartete mit dem Revolver in der Hand. Kam ihm denn niemand nach? Nicht einmal dieser berüchtigte Vèrro?
Aber die Zeit verging, ohne daß sich jemand zeigte. Die Bäume und Büsche um ihn herum, noch größer in dem geheimnisvollen Dunkel der Nacht, schienen mit ihrem Rauschen über seinen Zorn ironisch zu lachen. Allmählich teilte sich auch ihm die Ruhe der schlafenden Natur mit. Verächtlich zuckte er mit den Schultern und setzte seinen Weg zum Turme fort.
Den folgenden Tag verbrachte er mit dem alten Ventolera am Vedrá. Als er abends heimkehrte, fand er auf dem Tische das kalt gewordene Abendessen. In den weißen Kalk der Wand waren einige Kreuze und der Name Febrer eingekratzt. Diese Runen verrieten ihm, daß das Kaplanchen im Turm gewesen war. Der Junge versäumte keine Gelegenheit, sein Dolchmesser zu gebrauchen, und wäre es auch nur, um auf den Steinen etwas einzuritzen.
Am nächsten Morgen erschien Pepet mit geheimnisvoller Miene, um Don Jaime Sachen von höchster Wichtigkeit mitzuteilen.
Er war am vorhergehenden Nachmittage an der Schmiede des Ferrer vorbeigekommen und hatte den Vèrro in dem offenen Schuppen in eifriger Unterhaltung mit dem Cantó gesehen.
»Weiter nichts?« fragte Febrer erstaunt, als der Junge schwieg.
»Weiter nichts! Und das erscheint Ihnen wenig? Der Cantó, dem wegen seiner kranken Lunge das Steigen verboten ist, geht nie aus freien Stücken auf die Berge. Wenn er gestern bis zur Schmiede hinaufkletterte, so muß ihn der Ferrer dorthin bestellt haben. Ihre Unterhaltung war sehr erregt, und es schien mir, als ob der Vèrro Ratschläge gab, zu denen der andere beifällig nickte.«
»Und weiter?« fragte Febrer von neuem.
Das Kaplanchen hatte Mitleid mit so großer Einfalt.
»Don Jaime, jetzt heißt es aufpassen! Sie kennen die Atlòts von Ibiza nicht. Diese Unterhaltung in der Schmiede kommt mir sehr verdächtig vor. Wir haben Sonnabend, also ist heute Festeig. Sicherlich hat man irgend etwas gegen Sie geplant.«
Febrer lächelte verächtlich. Trotz alledem würde er abends nach Can Mallorqui kommen. Glaubten diese Burschen vielleicht, ihm Angst einjagen zu können? Er bedauerte nur, daß sie so lange zögerten, ihn anzugreifen.
Den Rest des Tages verbrachte Jaime in einem Zustande nervöser Überreiztheit und wünschte die Nacht herbei. Auf seinem Spaziergange vermied er,sich Can Mallorqui zu nähern, und beschränkte sich darauf, von weitem das friedliche Gehöft zu betrachten mit der leisen Hoffnung, vielleicht für einen Augenblick die zierliche Gestalt Margalidas zu sehen. Seit er sich um sie bewarb, mochte er das Haus Pèps nicht mehr wie früher freundschaftlich besuchen. Seine Gegenwart konnte diese einfachen Leute in Verwirrung bringen. Und wer weiß, ob sich das junge Mädchen nicht verbergen würde, wenn es ihn kommen sah.
Kaum funkelten die Sterne an dem klaren Winterhimmel, als Febrer vom Turme herabstieg. In der Veranda standen sämtliche Atlòts dicht gedrängt und schienen erregt über etwas zu diskutieren. Sobald sie Febrer erblickten, brachen sie die Unterhaltung ab. Niemand antwortete auf seinen Gruß. Nicht einmal das unwirsche Brummen ertönte wie beim letzten Festeig.
Als sie in die erleuchtete Küche eintraten, bemerkte Jaime in der Hand des Cantó das Tamburin. Also war der Abend für musikalische Vorträge bestimmt! Einige der Atlòts
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