Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
Vom Netzwerk:
nicht möglich, diesen Besitz zu umfassen, und fügte voller Überzeugung hinzu:
    »Ein Febrer kann niemals arm sein. Diese Schwierigkeiten sind nur vorübergehend.«
    Jaime verzichtete darauf, ihn von seiner Armut zu überzeugen. Wenn man durchaus glauben wollte, er wäre reich, desto besser. Dann würden diese Atlòts, deren Horizont nicht über die Insel hinausging, nicht sagen können, er suchte nur aus Verzweiflung eine Verbindung mit Pèps Familie, um wieder in den Besitz von Can Mallorqui zu gelangen.
    »Warum erschrickst du überhaupt so sehr, Pèp? Schließlich ist es nichts anderes als die Wiederholung dieser uralten Geschichte, in der ein König verkleidet umherirrt, sich in eine Schäferin verliebt und ihr seine Hand reicht ... Und dabei bin ich weder König, noch verkleidet, sondern befinde mich in einer sehr elenden Lage.«
    »Diese Geschichte kenne ich auch«, sagte Pèp, »als Kind habe ich sie oft gehört. Ich behaupte auch gar nicht, daß es nicht vorgekommen ist, aber in anderenZeiten, in jenen uralten Zeiten, als die Tiere sprechen konnten.«
    Der brave Pèp pflegte die älteste Vergangenheit und das goldene Zeitalter der Menschen stets mit dem Ausdruck »als die Tiere sprechen konnten« zu bezeichnen.
    »Aber heutzutage?« fuhr er fort. »Wenn ich auch nicht selbst lesen kann, so weiß ich doch, wie es in der Welt zugeht. Jeden Sonntag treffe ich in San José den Schreiber des Alkalden und andere gelehrte Personen, die Zeitungen halten und über alles unterrichtet sind. Die Könige verheiraten sich mit Königinnen und die Hirten mit Hirtinnen, jeder mit seinesgleichen. Die glücklichen Zeiten sind vorbei!«
    »Pèp, weißt du denn, ob Margalida mich nicht gern hat? Und bist du sicher, daß auch sie meinen Wunsch für einen Unsinn hält?« fragte Jaime.
    Der Bauer blieb eine ganze Weile still. Er fuhr mit einer Hand unter das seidene Kopftuch und kratzte nachdenklich in seinem krausen, graumelierten Haar. Dann lächelte er mit einem schlecht verhehlten Ausdruck von Geringschätzung bei dem Gedanken an die Frauen, diese untergeordneten Wesen.
    »Wer kann jemals aus Mädchen klug werden, Don Jaime! Margalida ist wie alle anderen eitel und liebt das Ungewöhnliche. In ihrem Alter träumen sie alle, daß ein Graf oder ein Marquis kommt, um sie in einem vergoldeten Wagen fortzuführen, und daß ihre Freundinnen vor Neid hierüber platzen.«
    Dann aber verschwand sein Lächeln und er fuhr fort:
    »Gewiß, es ist schon möglich, daß Margalida Sie liebt. Wenn man von dem Abend spricht, weint sieund sagt, es wäre eine Torheit gewesen, äußert aber nicht das geringste Wort des Tadels gegen Sie. Ich möchte wissen, was in ihrem Herzen vorgeht.«
    Febrer hörte ihm glücklich lächelnd zu, doch seine Freude verschwand schnell, als Pèp energisch betonte:
    »Sei es, wie es sei! Diese Heirat ist unmöglich und wird nicht stattfinden. Margalida kann denken, was sie will, aber ich widersetze mich als ihr Vater, der nur ihr Bestes im Auge hat. Jeder soll bei seinesgleichen bleiben, Don Jaime. Das erinnert mich an einen Einsiedler, der lange in der Klause der Cubells lebte. Dieser gelehrte Mann, aber wie alle Gelehrten halb verrückt, war darauf versessen, aus einem Hahn und einer Möwe von der Größe einer Gans eine Kreuzung zu züchten.«
    Und mit dem gewissenhaften Ernst, den der Landmann dem Leben der Tiere entgegenbringt, beschrieb Pèp die Unruhe, von der die Bauern nach der Einsiedelei getrieben wurden, wo sie voller Interesse den Käfig umstanden und ihre Bemerkungen austauschten.
    »Jahrelang dauerten die Bemühungen des guten Klausners. Aber nicht ein Junges! Unmögliches kann man nicht vollbringen. Die beiden waren eben von verschiedenem Blut und verschiedener Rasse.«
    Bei diesen Worten verwahrte er das Geschirr im Korb und machte Anstalten, zu gehen.
    »Bleiben wir also dabei«, beharrte er mit bäuerlicher Zähigkeit, »daß alles ein Scherz war und daß Sie die Atlòta nicht weiter mit Ihren phantastischen Ideen beunruhigen werden.«
    »Nein, Pèp. Bleiben wir dabei, daß ich Margalida lieb habe und zum Festeig mit demselben Rechte gehe,wie die anderen. Man muß die alten Gebräuche achten!«
    Und Jaime lächelte über Pèps mürrische Miene, der weiter auf seinem Nein bestand. Die jungen Mädchen des Kirchspiels würden Margalida wegen ihres seltsamen Bewerbers verspotten und boshafte Zungen vielleicht Can Mallorqui verleumden, das eine ebenso ehrenhafte Vergangenheit besaß, wie die beste

Weitere Kostenlose Bücher