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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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waren, um das Erdreich der abschüssigen Felder zu halten. Diese engen Hohlwege verwandelten sich im Winter bei starken Regenfällen in reißende Gießbäche. Sobald das bebaute Land hinter ihm lag, bedeckte sich der Boden mit wildem, stacheligem Buschwerk. Auf die Mandel- und Feigenbäume, die ihre letzten Blätter verloren hatten, folgten Sevenbäume und Pinien, deren Stämme sich unter der Wucht der Seewinde gekrümmt hatten.
    Als Febrer einen Augenblick haltmachte und sich umdrehte, sah er tief unter sich die weißen Gebäude von Can Mallorqui mit ihren flachen Dächern wie zierliche kleine Würfel liegen. So schnell er konnte, stieg er aufwärts, als befürchtete er, sich bei einem Rendezvous zu verspäten. Zwei wilde Tauben flogen vor ihm auf, aber der Jäger schien sie nicht zu sehen.
    Bei einer Biegung des Weges bemerkte er einige dunkle Gestalten, die im Dickicht umherkrochen. Zur Vorsicht nahm er die Flinte von der Schulter, erkannte aber beim Näherkommen, daß es Kohlenbrenner waren, die Holz sammelten. In ihren Augen las man Staunen und Neugierde. Wahrscheinlich hatten sie von den Vorgängen der vergangenen Nacht schon gehört und wunderten sich, den Fremden allein umherstreifen zu sehen, als ob er seine Feinde herausfordernwollte und sich selbst für unverwundbar hielt.
    Niemand weiter begegnete ihm. Tiefes Schweigen herrschte im Walde. Nur der Wind rauschte in den trockenen Blättern. Da hörte er plötzlich aus der Ferne den hellen Ton von Hammerschlägen, und bald gewahrte er auch über den Wipfeln der Bäume eine leichte Rauchsäule. Er war in der Nähe der Schmiede des Ferrer.
    Jaime trat aus dem Walde auf eine Lichtung, die vor dem kleinen Anwesen einen breiten Platz bildete. Das aus ungebrannten Ziegeln erbaute, rauchgeschwärzte Häuschen bestand aus einem einzigen Stockwerk. Stellenweise hatte sich das baufällige Dach so stark gesenkt, daß man befürchten mußte, es würde einstürzen. In einem offenen Schuppen stand neben dem Schmiedefeuer der Ambos, auf dem der Ferrer eine rotglühende Eisenstange hämmerte, die wie ein Karabinerlauf aussah.
    Febrer war zufrieden mit der Wirkung seines theatralischen Erscheinens vor der Schmiede. Bei dem Geräusch von Schritten blickte der Vèrro zwischen zwei Schlägen auf und blieb jetzt, mit dem Hammer in der Luft, unbeweglich stehen, als er den Herrn des Turms erkannte. Aber seine kalten Augen verrieten keinerlei Eindruck.
    Ohne Gruß, ohne ein Wort zu sagen, kam Jaime näher, den Blick mit herausforderndem Ausdruck starr auf den Ferrer gerichtet. Er durchquerte die Lichtung, machte bei einem der ersten Bäume halt und setzte sich, die Flinte auf den Knien, auf die knorrigen Wurzeln. Dann zog er sein Tabaksetui hervor und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
    Der Ferrer hatte ihm den Rücken zugedreht und hämmerte gleichmäßig weiter, als ob seine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Arbeit gerichtet wäre und ihn die Gegenwart Jaimes nicht im geringsten störte. Erriet denn dieser Schuft seine Absichten nicht? ...
    Die Sorglosigkeit des Schmiedes erbitterte ihn. Aber gleichzeitig empfand er etwas wie Freude über das Vertrauen seines Feindes, der ihn für unfähig hielt, ihm eine hinterlistige Kugel zu schicken.
    Als die Hammerschläge nach einiger Zeit verstummten, schaute Febrer auf und war überrascht, den Schmied nicht mehr zu sehen. Dieses ungewöhnliche Verschwinden veranlaßte ihn, auf seiner Hut zu sein. Er spannte die Hähne und hielt die Flinte schußbereit in den Händen. Zweifellos war sein Feind, der diese wortlose Provokation nicht länger ertragen konnte, ins Haus gegangen, um eine Waffe zu holen. Jeden Augenblick konnte aus einem der kleinen Fenster ein Schuß fallen. Um auf alles vorbereitet zu sein, sprang Jaime auf und nahm Deckung hinter einem dicken Stamm.
    Schon hörte er ein Geräusch an der offenen Tür und gewahrte, daß etwas Dunkles sich der Schwelle näherte. Achtung! Der Feind kam! Er legte an, um sofort Feuer geben zu können, sobald er eine Waffe in der Hand des Gegners erblicken würde.
    Aber aufs höchste verwirrt, sah er eine dürre, gebeugte Gestalt in einem verschossenen, schwarzen Rock, mit abgetragenen Sandalen an den nackten Füßen, aus dem Hause treten. In dem von unzähligen Runzeln durchfurchten, braunen Gesicht saß nur ein Auge. Zwischen den dünnen, grauen Haaren, die wirr herunterhingen, kam an manchen Stellen die Kopfhautzum Vorschein. Die alte Hexe mußte die Tante des Ferrer sein, von der ihm Pepet

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