Die Toten befehlen
erzählt hatte.
Sie ging bis zum Schuppen, stemmte die Arme in die Hüften, streckte den schlappen Bauch vor, dessen Umfang durch die Röcke noch vergrößert wurde, und sah starr mit ihrem zornentflammten Auge auf den Eindringling, der gekommen war, einen ehrenwerten Mann mitten in seiner Arbeit zu reizen. In ihrem Blick lag die wilde Streitsucht einer Frau, die, im Vertrauen auf die Rücksicht, die man ihrem Geschlechte erweist, sich noch mehr herausnimmt als ein Mann. Sie geiferte vor Wut und stieß Drohungen und Schmähungen gegen den verfluchten Fremden aus, der es wagte, mit ihrem Neffen anzubinden, an dem diese unfruchtbare Frau mit der ganzen Wärme eines Mutterherzens hing.
Jaime wurde nachdenklich. War es seiner würdig, einen Menschen am hellen Tage in seinem eigenen Hause herauszufordern? Hatte die Alte nicht recht mit ihren Beleidigungen? Nicht der Ferrer war der Raufbold, sondern er selbst, der stolze Nachkomme so vieler edler Krieger.
Die Scham machte ihn unsicher und verwirrt. Er wußte nicht, wie er die Szene abbrechen sollte. Schließlich hängte er die Flinte über die Schulter und ging in den Wald, ohne die Lichtung nochmals zu durchqueren.
Wieder traf er die Köhler. Sie antworteten auf seinen Gruß. Aber ihre Augen, die weiß in den geschwärzten Gesichtern aufleuchteten, waren jetzt von grimmigem Haß erfüllt, als hätte er etwas Unerhörtes begangen.
Langsam stieg er bergabwärts. Im Tale begegnetenihm drei alte Männer, die langsam neben ihren Packeseln einherschritten. Einige junge Mädchen suchten Kräuter, und auf den Feldern neben dem Wege arbeiteten Landleute.
Febrer, unzufrieden mit sich selbst, grüßte alle besonders höflich in ihrem Dialekt:
»Bònas tardes tenguin!«
Doch die Bauern antworteten mit einem unverständlichen Gemurmel, und die Mädchen wandten das Gesicht mit ärgerlicher Miene zur Seite. Nur die drei Alten erwiderten seinen Gruß, aber mit trauriger Stimme, wobei ihre Augen ihn forschend ansahen.
Unter einem Feigenbaum stand eine Gruppe junger Leute, in ihrer Mitte der Cantó, den Jaime an seinem verbundenen Kopf erkannte. Wahrscheinlich erzählte er seinen Freunden gerade die Vorgänge der vergangenen Nacht. Sobald er Febrer bemerkte, stürzte er ihm entgegen, doch die anderen eilten ihm nach und hielten ihn am Arme fest.
Vergebens strengte er sich an, von den starken Bauernhänden loszukommen. Halb von Sinnen vor Wut, stieß er unerhörte Beleidigungen gegen Febrer aus und wiederholte seinen Schwur, ihn in seinem eigenen Turme zu töten.
Jaime zuckte verächtlich mit den Schultern und setzte ruhig seinen Weg fort, traurig, nur auf Feindschaft zu treffen und überall zurückgestoßen zu werden. In was für ein Wespennest hatte er sich gesetzt!
Er war so niedergeschlagen, daß es ihm schien, als teile die ganze Insel diese Feindseligkeit. Kam er an Häusern vorbei, so verbargen sich die Bewohner, um ihn nicht zu grüßen. Die schroffen Berge mit ihrennackten Felsgipfeln sahen ihn abweisend an. Die düsteren Wälder bargen das Grauen. Sogar die Steine auf dem Wege, die unter seinen Füßen wegrollten, schienen vor seiner Berührung zu fliehen. Febrer fühlte sich allein und verlassen. Alles war gegen ihn. Nur Pèp und seine Familie blieben ihm noch. Aber auch sie mußten sich immer mehr von ihm entfernen, wenn sie mit ihren Nachbarn weiter auf gutem Fuße leben wollten.
Jaime ergab sich in sein Schicksal. Für ihn war kein Platz auf der Insel. Von Pèp mit der Ehrfurcht und Liebe eines alten Dieners empfangen, hatte er seine Gastfreundschaft damit bezahlt, den Frieden seines Hauses und die Ruhe seiner Familie zu stören. Von den Bewohnern der Insel war er mit einer kühlen, aber stets gleichbleibenden Höflichkeit aufgenommen worden, und sein Dank bestand darin, einen Schwächling, den jeder mit Schonung behandelte, blutig zu schlagen.
Und warum das alles? ... Wegen einer absurden Liebe zu einem Mädchen, das seine Tochter sein konnte. Fast kam ihm sein Wunsch, Margalida zu erobern, wie eine greisenhafte Laune vor, denn trotz seiner relativen Jugend fühlte er sich im Vergleich zu ihr und den Atlòts, die sich um sie bewarben, schon alt und verbraucht.
Das Milieu war daran schuld, das verfluchte Milieu. Wenn ihm Margalida zu den Zeiten seines Wohlstandes im Palast von Palma als Zofe seiner Mutter begegnet wäre, würde in ihm fraglos nur der vorübergehende Wunsch aufgestiegen sein, diese frische Jugend zu besitzen, ohne dabei irgendwie an Liebe zu
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