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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Mittagsstunde, als Febrer allein im Turme saß, hörte er plötzlich die Stimme Ventoleras, der am Strande die Messe sang.
    Febrer ging zum Fenster und sah, daß der Alte seine Barke mit Hilfe eines Jungen ins Wasser schob. Das Segel war schon aufgezogen und flatterte lose im Winde. Jaime legte die Hände an den Mund und rief:
    »Schönen Dank, mein Alter, ich kann heute nicht mitkommen!«
    Doch Ventolera versuchte weiter, ihn zur Fahrt zu bewegen. Der Nachmittag würde sehr schön sein. Der Wind war umgesprungen, und er hoffte auf einen ausgezeichneten Fang am Vedrá. Aber Jaime zuckte mit den Schultern:
    »Nein, nein, mein lieber Ventolera, es ist wirklich unmöglich. Ich habe heute zu tun.«
    Als er sich umdrehte, erblickte er das Kaplanchen mit dem Mittagessen. Der Junge zeigte ein wütendes Gesicht. Er war das unschuldige Opfer gewesen, an dem der Vater seinen Ärger ausgelassen hatte.
    »Es ist wirklich eine große Ungerechtigkeit, Don Jaime. Der Vater tobte in der Küche, verfluchte seineGutmütigkeit und schwur, jetzt ein Ende zu machen. Mir sagte er, ich sei ein schlechter, ungehorsamer Sohn und an allem schuld. Er würde mich schleunigst ins Seminar zurückbringen. Wenn ich wieder an Flucht dächte, so täte ich besser, sofort als Schiffsjunge zu verschwinden. Denn ließe ich mich nochmals im Hause sehen, würde ich nicht mit heilen Gliedern davonkommen. Und nur zu seiner Erleichterung gab er mir als Probe, was mich dann erwartete, einige derbe Ohrfeigen und zuletzt noch einen gewaltigen Fußtritt.«
    Das Kaplanchen hatte hinter den weiten Röcken der Mutter Schutz gesucht.
    Der sonst so geduldige Junge ballte die Fäuste. Schlimmer noch als die Schläge, die seine Männerwürde demütigten, war für ihn die Aussicht, wieder ins Seminar eingeliefert zu werden. Ihm graute vor der schwarzen Soutane, diesem Weiberrock, vor dem kurzgeschorenen Haar und der Tonsur. Fahrt wohl, Tanz und Braut! Fahr wohl, Dolchmesser!
    »Bald werde ich Ihnen nicht mehr das Essen bringen, denn die Reise ist schon für den kommenden Montag festgesetzt.«
    Bei diesen Worten leuchteten Febrers Augen hoffnungsvoll auf. Vielleicht würde dann Margalida wie früher zum Turme kommen. Aber Pepet, der seine Gedanken erriet, lächelte ihn trotz seines Kummers boshaft an:
    »Alle anderen, Don Jaime, nur nicht Margalida! Das wird der Vater nie zugeben! Als meine arme Mutter ihm sagte, ich wäre doch zu Hause notwendig, um den Herrn zu bedienen, brach er in neue Verwünschungen aus. Er selbst würde das Essen jeden Tagzum Turme bringen, oder sonst müßte man eine Magd suchen für diesen Herrn, der darauf versessen war, in ihrer Nähe zu leben.«
    Mehr erzählte er nicht, aber Febrer erriet die starken Ausdrücke, die Pèp im Zorn gebraucht hatte.
    Der redselige Junge war völlig niedergeschlagen. Stumm räumte er das Geschirr zusammen und machte sich auf den Weg, unablässig nachsinnend, wie er dem verhaßten Seminar entgehen könnte. Ließ es sich überhaupt mit seinem Gewissen vereinigen, seinen Freund Don Jaime, den große Gefahren bedrohten, jetzt zu verlassen? War es nicht undenkbar, in diesem finsteren Hause eingeschlossen zu sein, in dem Herren mit schwarzen Röcken lateinisch redeten, während hier auf freiem Felde, beim Licht der Sonne oder im geheimnisvollen Dunkel der Nacht die Männer im Begriff standen, sich zu töten?
    Als Jaime allein war, beschäftigten sich seine Gedanken wieder mit dem Ferrer, diesem unerträglichen Prahlhans. Vom ersten Moment an hatte er einen unüberwindlichen Widerwillen gegen ihn empfunden. Kein Mensch auf der ganzen Insel würde sich an diesen unheilvollen Popanz heranwagen. Also mußte er es übernehmen, ihn zu züchtigen!
    Er entschloß sich, auf die Jagd zu gehen. Aber auf was für Wild! ... Beide Läufe seiner Flinte waren noch mit feinem Schrot geladen für die Vögel, die auf dem Wege nach Afrika in großen Schwärmen über die Insel flogen. Er zog die Patronen heraus und lud mit Kugeln.
    Die Flinte umgehängt, verließ er, fröhlich vor sich hin pfeifend, den Turm.
    Als er an Can Mallorqui vorbeikam, lief ihm derHund mit freudigem Bellen entgegen. Aber niemand zeigte sich wie sonst an der Tür, trotzdem man ihn sicherlich bemerkt hatte. Das zutrauliche Tier begleitete ihn eine ganze Weile und blieb erst zurück, als Jaime den Weg nach den Bergen einschlug.
    Mit raschem Schritt stieg er die schmalen, mit bläulichen Kieseln gepflasterten Pfade hinauf, die auf beiden Seiten von Mauern eingefaßt

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