Die Toten der Villa Triste
habe nachgesehen. Er liegt westlich von Bologna. Die Hauptstrecke der Eisenbahn führt direkt daran vorbei. Damals gab es dort einen schweren Bombenangriff. Als Einschüchterungsmaßnahme vor dem letzten Vorstoß der Alliierten, mit der der deutsche Rückzug aufgehalten und die Kapitulation erzwungen werden sollte.«
Pallioti hätte sie am liebsten gebeten, nicht weiterzureden. Aber er blieb stumm.
»Diese Bevanelli«, fuhr Eleanor Sachs fort, »war eindeutig eine Frau. Offenbar gehörte sie zu einer Sabotage-Einheit. Sie hatten sich in ein Bauernhaus zurückgezogen, um sich auszuruhen. Es wurde von einer Bombe der Alliierten getroffen. Nur einer aus der Einheit war zu dem Zeitpunkt nicht im Haus. Er meldete alle anderen als tot.«
Stille.
»Sind Sie noch dran?«, fragte sie nach ein paar Sekunden. Als er nichts sagte, seufzte sie. »Es tut mir leid. Wirklich. Ich dachte, es hätte etwas mit diesem Fall zu tun. Mir war nicht klar, dass Sie diese Frauen gekannt haben. Ich meine, dass Sie eine Verbindung zu ihnen haben.«
»Nein.« Pallioti sah auf das kleine rote Buch. »Nein. Die habe ich nicht.« Es war genau gesprochen keine Lüge. Trotzdem fühlte es sich so an. »Hatten Sie nicht etwas von der CLN gesagt?«, fragte er schnell.
»Doch«, erwiderte Eleanor. »Sie haben wirklich exzellente Unterlagen. Ich habe den Bericht des Zeugen kopiert – beim Roten Kreuz kam ich nicht weiter. Glaubte ich wenigstens. Dort gab es nur ein paar Einträge. Erst den aus dem Feldlazarett in Bologna, dann den von der Liste aus Florenz. Immerhin kann ich Ihnen erklären, wo Sie sie finden können. Wenn Sie möchten.«
»Aber weder bei der CLN noch beim Roten Kreuz gab es Aufzeichnungen über die drei anderen, die drei Männer?«
»Nicht, soweit ich feststellen konnte, nein. Aber um ehrlich zu sein«, schränkte sie ein, »ich hatte nicht allzu viel Zeit. Die Archive schlossen gestern schon früher. Irgendwelche Wartungsarbeiten oder was weiß ich. Am Montagmorgen werde ich noch einmal genauer nachforschen. Ich sage Ihnen dann Bescheid«, versprach sie. »Ich kann Ihnen auch die Kopie dieses Berichts zeigen, wenn Sie möchten. Ich müsste nur …«
»Eleanor, haben Sie ihn jetzt bei sich?«
Sie zögerte. »Ja. Sicher. Ich kann ihn vorlesen. Er ist …«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen«, fragte Pallioti, »wenn ich vorbeikäme und ihn mir ansehen würde?«
»Nun, so viel zu der Mär, dass in Italien das Leben erst gegen Mittag beginnt.«
Die Adresse, die Eleanor Sachs genannt hatte, führte Pallioti zu einer Hütte auf einem weitläufigen Anwesen oberhalb von San Miniato. Wieder einmal hatte sie die Wahrheit gesagt. Sie lag tatsächlich keine zehn Minuten Fußweg von dem Restaurant entfernt, das Saffy am Sonntag zuvor ausgesucht hatte. Die Hütte stand knapp abseits der Einfahrt, hatte freien Blick auf die Stadt und eine Hecke im Rücken, die sie gegen das Haupthaus abschirmte. Ein kleiner Renault mit römischem Mietwagen-Nummernschild parkte auf der Rampe vor dem Haus. Vorhänge gab es keine. Er hatte sie im Haus herumgehen sehen, noch bevor er an die Tür geklopft hatte.
»Kommen Sie herein«, sagte sie. »Suchen Sie sich was zum Sitzen.«
Eleanor Sachs nickte zu den Barhockern an der Frühstückstheke hin.
»Hier.« Sie umrundete die Theke, nahm ein Blatt Papier vom Tisch und reichte es ihm, gerade, als er seine Jacke aufzog und sich setzte.
Der CLN-Bericht enthielt nicht viel mehr als das, was sie ihm erzählt hatte. Eine Bevanelli, L., hatte einer GAP-Einheit in Bologna angehört, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Eisenbahnstrecke nach Modena zu sabotieren. Die Einheit hatte sich am Nachmittag des 17. April 1945 ein paar Kilometer östlich von Anzola zurückgezogen und wartete abseits der Strecke in einem verlassenen Bauernhof auf den Schutz der Nacht, als die Gleise von den Alliierten bombardiert wurden.
Ich war nach draußen gegangen, um mich zu erleichtern, deshalb stand ich gerade unter ein paar Bäumen, als ich die Flugzeuge näher kommen hörte und sah. Sie waren im Tiefflug. Es bestand die Gefahr, dass mich eine MG-Salve treffen könnte. Ich warf mich in ein Dickicht und hörte kurz darauf mehrere laute Explosionen. Als ich nach einer Weile wieder aufstand, sah ich, dass das Haus einen Volltreffer abbekommen hatte. Soweit ich weiß, sind dabei alle fünf unten aufgeführten Mitkämpfer, die in dem Bauernhaus schliefen, umgekommen.
Der Bericht war von jemandem namens Bernardo Fabbro
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