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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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entschuldigen.
    Damit bewirkte er das Gegenteil dessen, was er beabsichtigt hatte. Marta Buonifaccio erbleichte sichtlich. Als er ansetzte, und zwar ganz freundlich, wie er meinte: »Bitte verzeihen Sie die Störung, aber vielleicht könnten Sie mir ein paar Fragen beantworten …«, da erstarrte die kleine, gedrungene Gestalt endgültig.
    »Bitte«, sagte sie, als ihr schließlich eingefallen war, dass sie irgendwann Luft holen musste. »Setzen Sie sich doch. Was kann ich Ihnen anbieten, Dottore?«
    Pallioti setzte sich auf denselben Stuhl, den er bei seinem ersten Besuch auch genommen hatte, nicht weil er sich gern setzen wollte, sondern weil er hoffte, dass sie sich dann entspannen würde. Er konnte nicht gutheißen, was sie getan hatte. Aber er wollte auch nicht, dass sie vor Angst tot umfiel.
    »Nichts, danke. Nichts«, wiederholte er. »Ich habe nur ein paar Fragen.«
    Marta nickte. Sie setzte sich nicht, sondern blieb vor ihm stehen und spielte wieder die russische Puppe, die sich in sich selbst zurückzog, Schicht um Schicht, die Hände fest gefaltet, den Blick auf die eigenen Füße geheftet.
    Pallioti rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum und wünschte sich beinahe, er wäre nicht gekommen, er müsste nicht wie ein Bluthund hinter jeder Frage nach der Wahrheit schnüffeln, bis er ohne den Schatten eines Zweifels wusste, dass er recht hatte.
    »Signora Buonifaccio«, sagte er, auch weil er die Sache plötzlich so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. »Ich muss leider davon ausgehen, dass Sie Signor Trantementos Portemonnaie an sich genommen haben, als Sie seinen Leichnam fanden.«
    Sie sah ihn an, und ihre Miene schien zu versteinern.
    »Ich vermute, dass es neben den Schlüsseln auf dem Schreibtisch lag«, sagte Pallioti. »Wahrscheinlich hat er es dort abgelegt, als er am Nachmittag davor nach Hause kam, kurz nachdem er einen Scheck über fünfhundert Euro eingelöst hatte.«
    Sie stimmte ihm nicht zu, stritt aber auch nichts ab.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie seine Taschen durchsucht haben«, ergänzte Pallioti, damit es nicht ganz so verwerflich klang, so, als wäre es verzeihlicher, die Toten nur zu bestehlen, als sie auch noch zu filzen.
    »Ich vermute, Sie sahen das Portemonnaie dort liegen und haben es an sich genommen. Dann riefen Sie die Polizei, bevor Ihnen aufging, dass Sie die Geldbörse nicht bei sich haben wollten, wenn man Sie befragen würde. Also haben Sie das Bargeld herausgenommen, sind aus dem Haus gelaufen und haben das Portemonnaie in der Gasse weggeworfen. Darum trugen Sie später im Haus ein Kopftuch. Wir sollten Ihre nassen Haare nicht sehen. Und dabei wurde auch der Brief nass, nicht wahr? Die Post war schon früher geliefert worden, noch bevor es zu regnen begonnen hatte. Aber der Brief steckte noch in Ihrer Schürzentasche, als Sie draußen waren, um das Portemonnaie loszuwerden.«
    Er sah sie an.
    »Ich glaube nicht, dass Sie den Brief stehlen wollten«, sagte er. »Das haben Sie auch nicht. Sie haben ihn mir übergeben, was völlig korrekt war. Aber das taten Sie erst, nachdem Sie ihn geöffnet hatten. Nachdem Sie die Geldanweisung über dreitausend britische Pfund entnommen hatten. Es war bestimmt ein dickerer Umschlag. Das Papier ist bei diesen Anweisungen recht steif. Und vielleicht wussten oder ahnten Sie, welcher Art Signor Trantementos Geschäfte waren und dass er manchmal Geldanweisungen oder sogar Bargeld zugeschickt bekam?«
    Er sah sie an, wartete auf ein Zeichen der Zustimmung. Oder auch nur auf ein Zeichen dafür, dass sie ihn gehört hatte. Sie rührte sich nicht. Wie eine Statue stand Marta Buonifaccio vor ihm, mitten in ihrem Wohnzimmer, und starrte ihn an.
    Pallioti hatte ein unangenehmes Déjà-vu. Signora Grandolo hatte ihm wenigstens noch zugehört. Da war er ziemlich sicher. Er hatte das Gefühl gehabt, dass sie sich, auch wenn er keine Antwort bekommen hatte, in einer stillen Konversation befunden hatten, dass man an der Spannung in der Luft hätte zupfen können wie an einer straff gespannten Saite.
    Hier jedoch war die Luft wie tot. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, die Frau in ihrer geblümten Schürze und der olivgrünen Strickjacke sei stocktaub.
    »Signora Buonifaccio«, sagte Pallioti. »Gibt es etwas, das Sie mir sagen möchten?«
    Weder Roblino noch Balestro waren bestohlen worden. Nur diese Anomalie hatte ihn hierhergeführt. Jetzt wünschte er, er wäre nicht gekommen.
    Im Fernsehen liefen gerade die

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