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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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zuvorkommen würde.«
    Ihre Blicke trafen sich über den flackernden Schatten, die aus dem Kamin züngelten.
    »Es war ein geschickter Schachzug, die Waffe liegen zu lassen«, sagte Pallioti. »Die perfekte Art und Weise, sie loszuwerden. Ich hätte wissen müssen, dass Sie das wussten. Und dann die Schmauchspuren. An den Handschuhen. Das war schlau.«
    Er meinte zu sehen, wie sich etwas regte, das Echo eines Lächelns, als wollte sie sich für das Kompliment bedanken. Aber das Licht war so schlecht und das Lächeln so schnell verschwunden, dass er nicht sicher sein konnte.
    »Wollen Sie wissen, was Sie verraten hat?«, fragte er dann. »Wieso ich schließlich Bescheid wusste?« Er wartete kurz ab. Dann sagte er: »Es waren die Blumen. Ich habe mich heute Nachmittag mit der Floristin unterhalten. Nur ein bisschen geplaudert. Sie erzählte mir, dass Sie feststehende Bestellungen laufen haben und dass sie bei den meisten Sträußen nach Belieben verwenden darf, was sie gerade auf Lager hat. Eigentlich bei allen. Nur bei zwei Gestecken nicht. Sie sagt, bei diesen Sträußen seien Sie sehr, sehr eigen. Schon immer gewesen. Es müssen immer zwei weiße Sträuße dabei sein. Der erste besteht hauptsächlich aus Rosen und ist größer als alle anderen. Den holen Sie alle zwei Wochen persönlich ab. Der andere ist weniger extravagant, aber bei diesem Bouquet sind Sie noch rigider. Es ist für die Via dei Renai bestimmt. Die Floristin weiß das, denn Sie holen die Bouquets zwar immer selbst ab, und immer montags, aber ein Mal, als Ihr Mann im Sterben lag, haben Sie die Floristin gebeten, die Sträuße für Sie abzulegen. Fünf weiße Rosen. Nur die schönsten. Einmal hat sie Ihnen angeboten, Ihnen zum selben Preis ein halbes Dutzend zu geben – das würde ihre Buchhaltung vereinfachen. Aber Sie haben abgelehnt. Es müssen genau fünf sein. Die Floristin fand das eigenartig«, sagte Pallioti. »Aber sie konnte Sie nicht verstehen, oder?« Er sah sie an. »Dass sechs falsch wären. Es mussten fünf sein. Eine für jeden – für Ihre Mutter, Ihren Vater, Ihren Bruder, Ihre Schwester und für Carlo. Und sie mussten immer montags an jenen Ort gebracht werden, an dem alle das letzte Mal zusammen gewesen waren – weil der 12. Juni 1944 auch ein Montag gewesen war.«
    Falls Signora Grandolo blinzelte, sah er es nicht. Er holte tief Luft.
    »Danach musste ich nur ein bisschen nachbohren. Es war nicht weiter schwer. Das ist es nie, sobald man weiß, wonach man suchen muss.«
    Er zog aus seiner Hosentasche den Zettel, den Guillermo ihm gegeben hatte, faltete ihn auf und breitete ihn auf dem Tisch vor dem Sofa aus. Sie machte keine Anstalten, danach zu greifen oder die Worte zu lesen, die daraufstanden.
    »Es ist ein Name. Der Name, den Sie verwendeten, als Sie sich um eine Stelle bei der Bank Ihres späteren Mannes bewarben. Der Name, unter dem Sie die nächsten beiden Jahre lebten, bis Sie heirateten und eine Grandolo wurden. Lebensmittelkarten. Personalausweise. All das wurde auf Sie ausgestellt. Und gleichzeitig auch nicht. Weil die Frau, die Cosimo Grandolo damals heiratete, Donata Leone hieß.« Er lächelte. »Und das einzige Problem dabei ist, dass Donata Leone da schon längst gestorben war, wie Sie wissen. An einer Lungenentzündung. Im Januar 1944.«
    Er machte eine Pause.
    »Nur eines weiß ich nicht«, sagte er dann, »und wahrscheinlich hoffe ich insgeheim, dass Sie mir das verraten werden: ob Sie von ihrem Tod wussten, weil Sie damals bei ihr waren – weil Sie Donata Leone gepflegt und an ihrem Bett gesessen und ihre Hand gehalten hatten. Oder weil Sie über Ihre Schwester von ihr gehört hatten.«
    Falls Sie überhaupt etwas sagen würde, dann jetzt. Er sah sie an, in ihr makelloses Gesicht, in die außergewöhnlichen Augen. Betrachtete ihre Haltung, die eleganten Linien ihrer Hände mit den beiden schlichten Ringen.
    »Anfangs wusste ich nicht recht«, sprach er schließlich weiter, »wie Sie es geschafft haben, nicht erkannt zu werden. Aber nachdem Sie so fest entschlossen waren, haben Sie es geschafft. Und natürlich«, sagte er, weil ihm einfiel, was Eleanor Sachs zu ihm gesagt hatte, »halfen Ihnen die Umstände. Wir sehen, was wir zu sehen erwarten. Und niemand erwartete Sie hier zu sehen, weil Sie offiziell tot waren. Gefärbte Haare, ein anderer Kleidungsstil. Ein anderer Gang. Mehr oder weniger dieselbe Prozedur, der sich Isabella nach der Schießerei vor dem Theater unterzog. Haben Sie die drei schon damals

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