Die Toten der Villa Triste
angekommen. Der Wagen beschleunigte kurz und bremste dann ab.
»Wir sind da.«
Hinter der verregneten Scheibe sah Pallioti den Übertragungswagen eines Fernsehsenders und mehrere andere Autos am Straßenrand stehen. Dahinter versperrte ein Streifenwagen eine Abzweigung.
»Verflucht«, knurrte er.
»Wir haben sie auf Abstand halten können.« D’Aletto sah zu ihm zurück. »Bis jetzt.«
Er hielt seinen Dienstausweis ans Fenster, als sie an dem Streifenwagen vorbeifuhren. Cesare D’Aletto wechselte ein paar Worte mit dem Fahrer, dann bogen sie auf einen Kiesweg voller Schlaglöcher ein, eine ärmliche Version der malerischen »weißen Straßen« in der Toskana. Nirgendwo war ein Haus zu sehen. Der Wagen schlingerte und holperte.
»Zum Glück«, sagte D’Aletto, während er seinen Dienstausweis wegsteckte, »ist die Zufahrt so lang. Etwa vierhundert Meter. Darum konnten wir sie bislang fernhalten. Aber«, er wiegte den Kopf, »inzwischen haben sie erfahren, wer er war, und dass er bei den Partisanen gekämpft hat. Also – nach Ihrer Pressekonferenz gestern Abend.«
Pallioti nickte. Sie hatten kaum damit rechnen können, dass sich das wiederholen würde – dass es sich genau gesagt bereits wiederholt hatte, als er in Florenz hinter seinem Pult gestanden und sich bemüht hatte, mit möglichst vielen Worten möglichst wenig zu sagen. Andernfalls hätten sie das vielleicht lieber für sich behalten.
»Aber niemand«, fragte er und hielt sich an der Tür fest, als der Wagen durch ein Schlagloch rumpelte, »weiß von dem Salz?«
Bei der Frage sah Enzo auf. Seinem Team war eingebläut worden, dass sie allesamt gehängt, gestreckt und gevierteilt würden, falls auch nur einer ein Wort davon verlauten ließ. Cesare D’Aletto schüttelte den Kopf.
»Niemand«, sagte er. »Das heißt«, schränkte er ein, »die Haushälterin hat es gesehen. Sie hat den Leichnam umgedreht, schließlich lag er auf dem Bauch. Und selbst im Regen … Aber ich habe mit ihr geredet, und sie ist nicht dumm. Sie wird nicht mit der Presse sprechen.« Er hielt kurz inne. »Mein Team?«, fuhr er schließlich fort. »Wir sind nur zu viert. Ich habe keine Mannschaft, die ich darauf ansetzen könnte. Dazu kommen noch die Leute von der Spurensicherung und der Gerichtsmediziner. Aber auch die werden niemandem etwas verraten. Sie wissen, dass sie das ihren Job kosten könnte.«
Pallioti hoffte es. Dass alternde Helden am helllichten Tag in der trügerischen Sicherheit ihrer eigenen Wohnung ermordet wurden, war schon schlimm genug, auch ohne dass sich die Neuigkeit von dem makabren Salzritual herumsprach. Das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse. Ganz zu schweigen davon, dass es wahrscheinlich die Hälfte aller Verrückten inspirieren würde, die hier herumliefen. Italien war genauso wenig immun gegen eine »Serienmördermanie« wie jedes andere Land.
Der Wagen machte einen weiteren Satz, kam, so fühlte es sich an, einen Moment ins Schlittern und bog dann um eine Ecke. Pallioti überlegte, ob das mit dem Kaffee vielleicht doch keine so schlechte Idee gewesen wäre.
»Da wären wir«, sagte Cesare D’Aletto, als sie auf eine große, ungeteerte Parkfläche einbogen. »Willkommen in der Masseria Santa Anna. Auch bekannt als das Castello .«
Pallioti schaute durch das Fenster auf einen ockerfarbenen Kubus mit einem Zinnenkranz auf dem Dach. Zwei große Fenster starrten ihn links und rechts der breiten Tür an, zu der ein paar halbrunde weiße Stufen hinaufführten.
»Signor Roblino hat praktisch alles besessen, was Sie von hier aus sehen«, sagte Cesare D’Aletto und schwenkte die Hand über die niedrigen Hügel, die hinter den Terrassen und angepflanzten Büschen abfielen. »An die hundert Hektar. Olivenhaine hauptsächlich, und Gebüsch. Er hat das Haus selbst bauen lassen.« Er stieg aus, öffnete zwei Regenschirme und reichte erst Pallioti, dann Enzo einen. »Die Einheimischen meinen, er hätte es auch selbst entworfen.«
Trotz dieses tragischen Todesfalls, hörte sich Pallioti denken, konnte Italien sich glücklich schätzen, dass Roberto Roblino als Partisan erfolgreicher gewesen war denn als Architekt. Das Haus sah aus wie ein erschrockenes rotes Gesicht, dem die Haare zu Berge standen.
Er sah sich um. Sie befanden sich auf der Kuppe eines kleinen Hügels. Abgesehen von dem Städtchen, das zwei Kilometer hinter ihnen am Abhang eines größeren Hügels kauerte, und dem Band der Straße wellte sich das Land staubig grün dem
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