Die Toten der Villa Triste
Journalistenmärchen. Als ich unserem kleinen Nachrichtenfuchs auf den Zahn fühlte, musste er zugeben, dass es kaum konkrete Anhaltspunkte gab. Natürlich«, wandte er ein, »würde weder das Ministerium noch die betroffene Firma gern darüber sprechen, falls tatsächlich etwas vorgefallen wäre. Ich würde darauf wetten, dass es sich diesmal mit den Neonazis ähnlich verhält. Mehr Inspiration als Substanz.«
Pallioti seufzte. Das überraschte ihn nicht.
»Also, was wissen wir sonst noch hierüber?« Er nickte zum Fenster hin, als meinte er nicht nur den Tod des zweiten alten Mannes, sondern ganz Apulien.
»Also, zuständig für den Fall ist ein gewisser Cesare D’Aletto«, eröffnete ihm Enzo. »Ich habe gestern Abend mit ihm telefoniert. Er hat mit uns Verbindung aufgenommen, sobald er die Datenbanken abgefragt und von unserem Fall erfahren hatte. So wie er es sieht, laufen höchstwahrscheinlich keine zwei Leute durch Italien, die so etwas anstellen.«
Pallioti wollte gar nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Stattdessen fragte er: »Ist er kooperativ?«
»D’Aletto? Auf einer Skala von eins bis zehn?«, fragte Enzo. »Elf. Er wurde erst vor drei Monaten nach Brindisi versetzt. So wie ich es sehe, gab es ein mittleres Erdbeben, als er ankam. Er sagt, er hat dort alle Hände voll zu tun. Menschenhandel. Drogen. Illegale Einwanderung. Schwarzbauten. Schwarzarbeit. Was Sie nur wollen. Er will keinen Orden, er will nur seine Fälle vom Tisch bekommen.« Enzo zuckte mit den Achseln. »Andernfalls hätte er sich alle Zeit der Welt gelassen, bevor er uns angerufen hätte. Oder es ganz vergessen. Ich glaube, wir werden feststellen, dass er gern jede Hilfe annimmt.«
»Und woher kommt dieser Tugendbold?«
»Aus Turin.«
Pallioti kannte seine Turiner Kollegen. Sie waren hoch angesehen.
»Und die Kugel?«
Enzo nickte. »Der Pathologe ist sicher, dass sie noch im Kopf steckt. Nach der Obduktion werden sie sie haben. D’Aletto meinte, dass Sie die Kugel vielleicht vom selben Team untersuchen lassen möchten, das auch Ihre Kugel untersucht hat.«
Pallioti zog die Augenbrauen hoch.
»Ich habe es Ihnen doch gesagt«, sagte Enzo. »Er ist kooperativ.«
Das Flugzeug flog in eine Kurve. Regen klatschte gegen die Fenster, verwischte die Küstenlinie und tauchte die Landschaft unter ihnen in ein dumpfes Industriegrau. Windböen schüttelten das kleine Flugzeug durch, sobald es zum Landeanflug ansetzte. Die Triebwerke heulten auf. Das Fahrwerk fuhr knarrend aus und rastete ein. Sekunden später landeten sie unter lautem Fauchen, und die aufspritzende Gischt ließ den dunklen Wagen verschwinden, der auf dem Flugfeld parkte und neben dem eine dunkle Gestalt stand.
Bis das Flugzeug vom Ende der Rollbahn zurückgefahren war, die Triebwerke abgestellt waren und die Stewardess die Tür geöffnet hatte, wartete Cesare D’Aletto bereits am Fuß der Treppe. Seine Miene – eine Mischung aus Anspannung und Nervosität – erinnerte Pallioti an die Eltern, die ihm begegneten, wenn er ab und zu Tommaso aus dem Kindergarten abholte. Vor dem Tor stehende junge Frauen im Mantel und Väter im Anzug, die es einerseits kaum erwarten konnten, ihre kostbaren Sprösslinge zu begrüßen, und gleichzeitig fürchteten, sie könnten nicht herausgelaufen kommen.
»Danke«, sagte er und gab erst Pallioti und dann Enzo die Hand. »Vielen Dank, dass Sie den langen Weg auf sich genommen haben. Und so schnell.« Lächelnd führte er sie zu seinem Wagen.
Sobald sie geborgen auf dem Rücksitz saßen, drehte sich Cesare D’Aletto auf dem Beifahrersitz um und erklärte über die Rückenlehne hinweg: »Am Samstagabend ist das Wetter umgeschlagen, und seither gießt es ununterbrochen. Es sind keine idealen Bedingungen. Trotzdem dachte ich mir, dass Sie den Fundort so bald wie möglich sehen wollen.«
Er war jünger, als Pallioti erwartet hatte, und schien sich fast für die widrigen Umstände entschuldigen zu wollen, als könnte er über das Wetter oder den Fundort oder beides gebieten. Eine blonde Strähne fiel ihm vor das blaue Auge. Er warf sie zurück. »Es sei denn«, schränkte er ein, »Sie möchten vorher kurz haltmachen? Um etwas zu essen oder auf einen Kaffee?«
»Nein.« Pallioti schüttelte den Kopf. »Machen wir uns gleich an die Arbeit.«
»Gut.« Cesare D’Aletto drehte sich wieder nach vorn und schnallte sich an. »In diesem Fall sollten wir in ungefähr vierzig Minuten dort sein.«
Irgendwo hinter der Wolkenbank, die
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