Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
Vom Netzwerk:
Horizont entgegen, so weit das Auge reichte. Kronen von unzähligen Olivenbäumen bedeckten die Hänge, durchkreuzt von den weißen Linien der Steinmauern. Der Wind, der an der Küste geweht hatte, war im Inland nicht mehr zu spüren. Der Regen fiel in weichen, sanften Tropfen. Der Fahrer blieb im Auto, während Pallioti und Enzo ihrem Kollegen an den unvermeidlichen Polizeiabsperrungen vorbei folgten und über mehrere Stufen erst in einen Terrassengarten und danach ins Haus gelangten.
    »Der Tatort wurde bereits untersucht«, sagte Cesare D’Aletto, sobald sie das Haus betreten hatten.
    Pallioti sah sich um. Er entdeckte nirgendwo einen Forensiker, aber zahllose Hinweise darauf, dass sie hier gewesen waren. Wahrscheinlich bis tief in die Nacht.
    »Haben sie etwas gefunden?« Enzo stellte die Frage, aber noch bevor er sie ausgesprochen hatte, glaubte Pallioti die Antwort zu kennen.
    »Es ist ein bisschen früh für ein abschließendes Urteil«, antwortete Cesare D’Aletto. »Aber auf den ersten Blick nein. Praktisch gar nichts.«
    Von innen war das Castello schöner als von außen. Die Wände waren weiß verputzt. Ein gefliester Flur durchschnitt den mehr oder weniger quadratischen, zweistöckigen Bau. Vorn gingen links und rechts Wohnräume ab, durch deren vergitterte Fenster man auf die Biegung der Zufahrt und auf den Ort dahinter blickte. Im einen Wohnraum sah er eine Treppe an der Wand, die offensichtlich zu den Schlafzimmern hinaufführte. Hinter den Wohnräumen ging es links ins Esszimmer und rechts in eine geräumige Küche. Pallioti blieb in dem Bogen stehen, durch den man ins Esszimmer kam. Mindestens der halbe Tisch war mit Papieren, Büchern und Akten bedeckt.
    »Die Haushälterin sagt, er hätte sein ›Archiv‹ geordnet.« D’Aletto blieb hinter ihm stehen. »Offenbar war er seit ungefähr einem Jahr ganz besessen davon. Seit er in Rom ausgezeichnet worden war. Den Orden hat er schon dem örtlichen Museum geliehen. Nach dem Jahrestag wurde er zu einer Art Lokalheld. Sprach vor Schulklassen und so weiter. Ich habe mir das Material kurz angesehen«, ergänzte D’Aletto. »Aber nicht genauer. Das meiste davon kommt mir wenig persönlich vor. Sie wissen schon, Zeitungsausschnitte und so weiter. Auszüge aus Büchern. Ein Unterrichtspaket, das er für die Schulklassen zusammengestellt hatte, um ihnen das Leben bei den Partisanen nahezubringen. Das war sein Hobby. Sie sagt, die Kinder konnten ihn gut leiden. Wahrscheinlich war er ein guter Geschichtenerzähler.«
    Cesare D’Aletto wandte sich ab. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche.
    »Der Garten ist dahinten«, sagte er. »Dort hat sie ihn gefunden. Wir haben den Fundort gestern Abend provisorisch überdacht. Trotzdem ist er nicht mehr unberührt.«
    Durch die Ornamentglasscheiben in der Gartentür konnte Pallioti die Spitze des Zelts erkennen, das, so wie es aussah, über der Leiche des alten Mannes und einem Stück Rasen errichtet worden war. Enzo war in die Küche getreten und stand jetzt an der Spüle.
    »Genau von dort aus hat sie ihn gesehen«, sagte D’Aletto und blickte über die Schulter zurück, während er den Schlüssel ins Schloss schob. »Die Haushälterin. Gestern Nachmittag, als sie aus dem Küchenfenster sah. Sie hatte ihn am Samstag angerufen – ich schätze, das tut sie jede Woche –, um ihn zu fragen, was er unter der Woche essen wollte. Sie dachte sich nichts weiter, als er nicht ans Telefon ging. Aber als sie es am Sonntag nach der Kirche noch einmal probierte und er wieder nicht antwortete, machte sie sich Sorgen. Schließlich fuhr sie nach dem Mittagessen, gegen zwei Uhr, hierher.«
    »Er wohnte also alleine hier?«
    »Anfangs nicht. Offenbar lebte sie mit ihrem Mann früher bei ihm. Hinter dem Haus gibt es eine kleine Hütte. Dort haben sie gewohnt. Aber als sie Kinder bekamen, erzählte sie, wurde es ihm zu laut, und er kaufte ihnen ein Haus im Ort. In der Hütte brachte er sein Büro unter.«
    »Warum liegen dann seine ganzen Unterlagen im Esszimmer?«
    Cesare D’Aletto hatte die Tür endlich geöffnet und lächelte Enzo an.
    »Also«, sagte er, »für mich sieht es so aus, als wäre vor zwanzig Jahren ein Teil des Hüttendachs eingestürzt und als hätte sich niemand je die Mühe gemacht, es zu reparieren. Inzwischen wird die Hütte hauptsächlich von Tauben und alten Rasenmähern bewohnt. Wie man so hört«, fuhr er fort, »lebte Roblino gern allein. Offenbar war er gesund wie ein Pferd. Und kräftig. Fuhr immer

Weitere Kostenlose Bücher