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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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der von dem Knüppeldamm herrührte, gegen den das städtische Steinpflaster gar nichts war. Diese Knüppel hoben und senkten sich wie die Tasten eines Klaviers, und ein unvorsichtiger Reisender trug dann entweder eine Beule am Hinterkopf oder einen blauen Fleck an der Stirn davon, oder es begegnete ihm, daß er sich schmerzhafterweise mit seinen eigenen Zähnen ein Stück von seiner eigenen Zunge abbiß. Tschitschikow nahm an allen Gebäuden des Dorfes eine bemerkenswerte Baufälligkeit wahr; das Balkenwerk an den Bauernhäusern war dunkel und alt, viele Dächer waren durchlöchert wie Siebe, an manchen waren nur oben der Firstbalken und an den Seiten die rippenförmigen Schrägbalken übrig. Wie es schien, hatten die Besitzer selbst die Schindeln und Bretter von ihnen heruntergenommen, weil sie sich (und gewiß mit Recht) sagten, daß dieselben bei Regen das Haus doch nicht schützten und der Regen nicht von selbst in den Eimer laufe; im Hause aber zu hocken sei kein Grund, wenn es in der Schenke und auf der großen Landstraße, kurz, wo man nur wolle, Raum genug gebe. Die Fenster in den Bauernhäusern waren ohne Scheiben; manche waren mit einem Lappen oder mit einem Kittel zugestopft; die kleinen, unter den Dächern befindlichen, mit Geländern versehenen Balkone, wie sie aus nicht recht verständlichen Ursachen an manchen russischen Bauernhäusern angebracht werden, hatten sich schief gezogen und waren schwarz geworden, ohne jedoch dadurch malerisch zu werden. Hinter den Bauernhäusern zogen sich an vielen Stellen in Reihen gewaltige Getreideschober hin, die offenbar schon lange dastanden: in der Farbe glichen sie alten, schlecht gebrannten Ziegeln; auf dem obersten Teile wuchs allerlei Unkraut, und an den Seiten hatte sich sogar Gebüsch angewurzelt. Das Getreide gehörte offenbar der Gutsherrschaft. Hinter den Getreideschobern und den zerfallenen Dächern erhoben sich, in der reinen Luft schimmernd, bald rechts, bald links, je nach den Wendungen, die die Britschke machte, zwei Dorfkirchen, eine neben der anderen, eine nicht mehr benutzte hölzerne und eine steinerne; die letztere hatte gelbliche Mauern, wies aber schon viele Flecke und Risse auf. Das Gutsgebäude begann teilweise sichtbar zu werden und lag schließlich in seiner ganzen Ausdehnung frei vor Augen an der Stelle, wo die Reihe der Bauernhäuser unterbrochen und an ihrer Stelle ein als Gemüsegarten oder Kohlfeld benutzter leerer Platz gelassen war, den ein niedriger, stellenweise zerbrochener Zaun umgab. Dieses sonderbare, unverhältnismäßig lange Schloß glich einem gebrechlichen Invaliden. An einzelnen Stellen war es einstöckig, an anderen zweistöckig; auf dem dunklen Dache, das nicht überall einen zuverlässigen Schutz des alten Gebäudes bildete, ragten einander gegenüber zwei Belvedere auf, beide schon schiefstehend und der Farbe beraubt, die sie einstmals bedeckt hatte. Die Wände des Hauses zeigten stellenweise das nackte Fachwerk und hatten offenbar von allerlei Unbilden der Witterung, Regen, Sturm und herbstlichem Wetterumschlag, schon viel zu leiden gehabt. Von den Fenstern waren nur zwei offen; an den übrigen waren die Läden geschlossen, oder sie waren sogar mit Brettern verschlagen. Diese beiden Fenster selbst hatten blinde Scheiben; an einem von ihnen war ein dunkles Dreieck von blauem Zuckerpapier aufgeklebt.
    Der alte, weite Garten, der sich hinter dem Hause ausdehnte, sich bis über das Dorf hinauszog und dann in die Felder überging, erschien, vernachlässigt und verunkrautet, wie er war, als die einzige frische Oase in diesem großen Dorfe und war das einzige, was in seiner malerischen Verwilderung einen reizvollen Anblick gewährte. Wie grüne Wolken und unregelmäßige Kuppeln von zitterndem Laubwerk zeichneten sich gegen den Himmel die zusammenfließenden Wipfel der in völliger Freiheit verwilderten Bäume ab. Der weiße, kolossale, des Wipfels beraubte Stamm einer Birke, die der Sturm oder der Blitz gebrochen hatte, erhob sich aus diesem grünen Dickicht und ragte rundlich in die Luft wie eine regelmäßige Säule von glänzendem Marmor; die schräge, scharfe Bruchstelle, mit der er oben an Stelle eines Kapitäls endete, stach gegen seine schneeweiße Farbe dunkel ab wie ein Hut oder ein schwarzer Vogel. Wilder Hopfen, der die Holunder-, Ebereschen- und Haselnußsträucher unter sich zu ersticken suchte und dann am ganzen Zaun oben entlang lief, kletterte schließlich an der gebrochenen Birke in die Höhe und umschlang

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