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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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wollen Sie denn?«
    »Ich habe eine geschäftliche Angelegenheit.«
    »Kommen Sie in die Wohnung!« sagte die Wirtschafterin, drehte sich um und zeigte ihm den Rücken, der mit Mehl bestäubt war und unten ein großes Loch aufwies.
    Er trat in den dunklen, geräumigen Flur, aus dem ihm eine kalte Luft wie aus einem Keller entgegenschlug. Aus dem Flur kam er in ein Zimmer, das ebenfalls dunkel war und nur matt durch das Licht erhellt wurde, welches durch eine breite Spalte unter einer Tür eindrang. Er öffnete diese Tür, befand sich nun endlich im Hellen und war überrascht durch die Unordnung, die sich seinem Blicke darbot. Es schien, als würden im Hause die Fußböden gescheuert, und als wären für diese Zeit alle Möbel hierher zusammengebracht. Auf einem Tische stand sogar ein zerbrochener Stuhl und daneben eine Stutzuhr mit stillstehendem Pendel, an das bereits eine Spinne ihr Netz geknüpft hatte. Ebendort stand, mit der Seite sich an die Wand lehnend, ein Schrank mit altem Silber, Karaffen und chinesischem Porzellan. Auf einem Schreibtische, der mit Perlmuttermosaik ausgelegt war, welches aber stellenweise bereits herausgefallen war und nur gelbliche, mit Leim angefüllte Vertiefungen hinterlassen hatte, lag eine bunte Menge von Dingen: ein Päckchen Papierblätter, die mit kleiner Schrift bedeckt waren, unter einem marmornen, grünlich gewordenen Briefbeschwerer mit einem Ei darauf; ein altertümliches Buch in Ledereinband mit rotem Schnitt; eine ganz vertrocknete Zitrone, die nicht mehr größer war als eine Haselnuß; die abgebrochene Lehne eines Lehnstuhles; ein Glas mit einer Flüssigkeit und drei Fliegen darin, mit einem Briefe zugedeckt; ein Stückchen Siegellack; ein zerlumpter, irgendwo aufgelesener Lappen; zwei Gänsefedern, mit Tinte befleckt, aber so zusammengetrocknet, wie wenn sie die Schwindsucht hätten; ein ganz vergilbter Zahnstocher, mit dem der Hausherr sich vielleicht die Zähne gestochert hatte, noch ehe die Franzosen in Moskau einrückten.
    An den Wänden hingen eng aneinander und in geschmacklosem Durcheinander mehrere Bilder: ein langer, gelb gewordener Kupferstich, der eine Schlacht darstellte, mit riesigen Trommeln, mit schreienden Soldaten, welche Dreimaster auf den Köpfen hatten, und mit ertrinkenden Pferden; der Stich war in einen Rahmen von Mahagoniholz mit feinen Bronzeleisten und Bronzerosetten an den Ecken eingefügt, jedoch fehlte das Glas. Daneben hing ein gewaltig großes, dunkel gewordenes Ölgemälde, das die halbe Wand einnahm; es stellte Blumen, Früchte, eine zerschnittene Melone, einen Wildschweinskopf und eine mit dem Kopfe nach unten hängende Ente dar. Von der Mitte der Decke hing ein Kronleuchter in einem Leinwandsack herab, der vor Staub dem Kokon einer Seidenraupe ähnlich geworden war. In einer Ecke des Zimmers war auf dem Fußboden eine Menge solcher Sachen zu einem Haufen zusammengeworfen, die von gröberer Art waren und es nicht verdienten, auf einem Tische zu liegen. Was eigentlich alles in dem Haufen steckte, das war schwer zu erkennen, denn es lag eine solche Unmasse Staub darauf, daß die Hände eines jeden, der etwas davon anfaßte, mit Handschuhen Ähnlichkeit bekamen; kenntlicher als die übrigen Gegenstände ragten von dort ein Bruchstück einer hölzernen Schaufel und eine alte Stiefelsohle heraus. Man hätte nicht geglaubt, daß in diesem Zimmer ein menschliches Wesen hause, wenn dessen Anwesenheit nicht durch eine alte, abgetragene Mütze, die auf dem Tische lag, bezeugt worden wäre. Während Tschitschikow die ganze sonderbare Ausstattung des Zimmers betrachtete, öffnete sich eine Seitentür, und es trat jene selbe Wirtschafterin herein, der er auf dem Hofe begegnet war. Aber nun erkannte er, daß es doch eher ein Wirtschafter als eine Wirtschafterin war; wenigstens rasiert sich eine Wirtschafterin nicht; dieser dagegen rasierte sich, und zwar anscheinend recht selten, da sein ganzes Kinn nebst dem unteren Teile der Backen einer Striegel aus Eisendraht glich, wie man sie zum Reinigen der Pferde im Stalle benutzt. Tschitschikow verlieh seinem Gesichte einen fragenden Ausdruck und wartete ungeduldig ab, was ihm der Wirtschafter sagen wolle. Der Wirtschafter seinerseits wartete ebenfalls ab, was ihm Tschitschikow sagen wolle. Endlich entschloß sich der letztere, erstaunt über ein so seltsames Zaudern, dazu, zu fragen:
    »Nun, und der Herr? Er ist wohl in seinem Zimmer?«
    »Der Hausherr ist hier«, antwortete der Wirtschafter.
    »Wo denn?«

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