Die Toten Vom Karst
erschrak, fing sich aber sofort. »Mach keine Witze! Hier oben gibt es keine Fische.« Er hatte ein Bein bereits aus der Tür und hielt sich mit der linken Hand am Dachholm des Wagens, als wollte er aufspringen.
»Steig aus, Marasi!«
»Was ist los? Willst du mich umbringen?«
»Komm raus, wenn du es wissen willst.«
»Dann hol mich doch, du Idiot!«
»Steig aus, es ist mir ernst!«
Marasi lachte und lauerte auf eine Chance. »Das haben schon viele versucht. Schon die Kommunisten haben es nicht geschafft, und die waren nicht alleine wie du. Du tust mir leid, du Idiot.«
Mit dem letzten Wort versuchte der Alte sich auf Mario zu stürzen. Doch Mario reagierte schnell und versetzte der Wagentür einen so harten Tritt, daß Marasi mit einem Stöhnen auf den Wagensitz zurückfiel. Mario knallte die Wagentür noch zweimal mit aller Wucht gegen Marasis Schienbein, bis der alte Mann vor Schmerz in sich zusammensackte. Mario riß ihn mit aller Kraft aus dem Wagen und stieß ihn zu Boden. Schnell hatte er seine Hände auf den Rücken gefesselt. Als Marasi wieder zu sich kam, spürte er den Draht auch an seinen Fußknöcheln. Mario hievte ihn empor und befahl ihm zu gehen. Er konnte nur kleine Schritte machen.
»Wohin bringst du mich?« fragte Marasi.
»Wo du hingehörst! Geh weiter.« Er gab ihm einen heftigen Stoß. Marasi taumelte und stolperte am Rand der Steinfläche, mit der die Foiba einst verschlossen worden war. Er fiel auf die Knie und hatte Mühe, sich wieder aufzurichten, doch er mußte dem schmerzhaften Ruck an seinen Drahtfesseln folgen. Dann erkannte er in der Dunkelheit endlich das Gestell und blieb wie gelähmt stehen.
»Das ist es also! Du bist ein widerwärtiges Dreckschwein. Auf den Dreifuß willst du mich binden. Langsam krepieren lassen willst du mich. Aber den Gefallen werde ich dir nicht tun. Ich gehe da nicht hinauf. Verstehst du? Ich gehe da nicht rauf!«
»Du wirst, Marasi!« Mario hielt ihm den Lauf der Harpune vor die Nase. »Du wirst tun, was ich dir sage. Wenn du um Mitternacht noch lebst, hole ich dich wieder. Wenn du nicht durchhältst, ist es dein Pech! Aber die paar Stunden wirst du schon schaffen. Du sollst wissen, wie das ist, wenn man langsam vor die Hunde geht, Marasi! Wie Giuliano. Du wirst es erfahren.«
Er trat hinter ihn. Marasi spürte den Pfeil der Harpune in seinem Nacken. »Ich löse dir jetzt die Handfesseln. Wenn du versuchst, mich auszutricksen, drücke ich ab, aber wenn du tust, was ich dir gesagt habe, hast du eine Chance. Verstehst du mich?« Marasi hörte das Knipsen der Zange und spürte, daß seine Handgelenke frei waren. »Knöpfe Jacke und Hemd auf! Aber langsam, sehr langsam! Hörst du! Sei vorsichtig!«
Marasi öffnete die Knöpfe. Mario faßte die beiden Kleidungsstücke am Kragen und zog sie ihm wie eine Fessel über die Oberarme.
»Jetzt komm!« Er zog Marasi nach hinten, bis zu dem Gestell. »Steig hinauf!«
Marasi tastete mit dem Fuß hinter sich und bemerkte einen großen Stein. Er versuchte den Kopf zu drehen, doch spürte er gleich die Harpunenspitze an seiner Wange. Er stellte umständlich den rechten Fuß auf den Stein und streckte das Bein. Mario zog ihn mit einem Ruck hinauf. Dann spürte er plötzlich die Drahtschlinge um seinen Hals, die seinen Kopf nach hinten riß, bis an die Metallstange. Er keuchte, doch dann lockerte sich die Schlinge wieder.
»Ich will dich ja nicht umbringen, Ugo«, sagte Mario ernst. »Zieh jetzt die Jacke aus. Und dann die Hose! Wenn du willst, helfe ich dir!«
»Verpiß dich!« Marasi hatte große Mühe, dem Befehl nachzukommen. Die Schlinge ließ ihm nur wenig Spiel. Ganz langsam schaffte er es und wollte gerade durchatmen, als Mario seinen rechten Arm mit einem groben Ruck nach oben riß und mit Draht an die querstehende Eisenstange fesselte. Er dachte fieberhaft darüber nach, wie er sich wehren konnte. Doch Kopf und Arm waren schon gefesselt. Er hatte keine Chance.
»Ugo, hast du Angst?« fragte Mario.
»Vergiß nicht, was du mir zu verdanken hast, Judas!«
»Denk an Giuliano!« sagte Mario ruhig.
Wenig später fand Marasi sich nur noch mit Unterhemd und Unterhose bekleidet, mit Stahldraht an das Gestell gekreuzigt. Die Drahtschlinge um seinen Kopf wurde gelöst. Marasi wunderte sich und spürte Hoffnung. Vielleicht wollte Mario ihm nur einen Schrecken einjagen. Er ließ ihn nicht aus den Augen und sah, wie Mario die Harpune vor ihm auf einer anderen Stange fixierte, die mit dem Gestell verbunden war.
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