Die Toten Vom Karst
Luca kommen, um mit ihm und Mario zu verhandeln. Marasi gehörten fünfundvierzig Prozent der »San Francesco« und nach Giulianos Tod hielt er die Mehrheit, sofern die beiden anderen Eliana nicht auf ihrer Seite hatten. Widerwillig erinnerte er sich an die Vertragsvereinbarungen, die sie einst getroffen hatten und die ihn nun zu diesem Gespräch zwangen. Er war es nicht gewohnt, sich nach anderen zu richten. Aber er würde hingehen, weil sie darauf bestanden. Erst gegen achtzehn Uhr konnte sich Marasi dazu durchringen. Vielleicht war das Thema aber dann vom Tisch.
Schlechtgelaunt erhob er sich von seinem Küchenstuhl, als es klingelte, und öffnete.
»Was willst du hier? Wir sehen uns um acht bei Luca!« Marasi hatte mit Mario zuallerletzt gerechnet.
»Komm mit, Ugo! Es geht um den Kutter. Ich habe einen Käufer, aber wir müssen mit ihm reden, bevor wir zu Luca gehen.«
»Wer ist das?«
»Das wirst du sehen. Er bietet einen guten Preis und erwartet uns. Wenn wir uns beeilen, sind wir rechtzeitig zurück. Dann ist das Problem aus der Welt.«
»Wo?«
»In Monrupino.«
Marasi kannte niemanden dort oben. »Wer ist es?«
»Du wirst es sehen, wenn wir dort sind. Sonst versuchst du doch nur wieder, das Geschäft alleine zu machen. Also, komm schon, oder willst du lieber mit Luca um den Preis feilschen, wenn wir alles einfacher haben können?«
Er roch Marios Fahne und wußte nicht, ob er ihm trauen konnte. Andererseits hatte er Mario schon lange nicht mehr so entschieden erlebt. »Wie heißt er?« fragte Marasi noch einmal.
»Das wirst du erfahren, wenn wir bei ihm sind. Kommst du jetzt, oder nicht?«
Ugo Marasi schaute ihn mißtrauisch und zögernd an. Doch schließlich nahm er seine Jacke vom Kleiderhaken im Flur und zog die Tür hinter sich ins Schloß.
»Wann sind wir zurück?«
»Rechtzeitig! Wir fahren anschließend direkt zu Luca.«
»Woher kennst du den Käufer?«
»Er hat mich schon heute mittag angesprochen, als wir nach dem Verhör die Guardia Costiera verließen. Luca wollte nichts davon wissen. Aber der Vorschlag ist interessant. Ich habe keine Lust mehr, und wenn ich geahnt hätte, daß du auch verkaufen willst, dann hätte ich es dir schon früher gesagt. Der bietet einen sehr guten Preis.«
»Wenn das mal wahr ist«, sagte Marasi und zog die Tür des Kleinwagens zu, den Mario seit elf Jahren fuhr. »Wie machen wir das mit dem Vorkaufsrecht der anderen?«
Mario winkte ab. »Mach dir darüber keine Sorgen. Luca wird seine Meinung ändern, wenn er weiß, daß auch ich nicht mehr mitmache. Und Eliana braucht Geld. Was willst du tun, wenn du nicht mehr fährst?«
»Mal sehen«, sagte Marasi und versenkte den Kopf zwischen Schultern.
Sie schwiegen die ganze Fahrt über. Marasis Mißtrauen legte sich auch nicht, als sie endlich den Anstieg auf den Karst hinter sich hatten und durch Opicina fuhren. Gleich am Ortsausgang bog Mario auf die kleine, kurvige Straße nach Monrupino ab. Doch kurz darauf steuerte er den Wagen über einen matschigen Feldweg in den Wald.
»Was machst du? Wohin fährst du?«
»Ich muß pinkeln.«
»Dann halt hier an.«
»Gleich.«
»Wo zum Teufel fährst du hin?«
»Ich drehe da hinten um. Hier geht das nicht.«
Mario fuhr auf einen großen schotterbelegten Platz, wendete, hielt den Wagen nach fünfzig Metern vor der Foiba von Monrupino an und schaltete die Lichter aus.
»Bin gleich zurück.« Er verschwand in der Dunkelheit.
»Beeil dich«, sagte Marasi.
Mario hatte alles vorbereitet. Nachdem sie Ugo in der Bar getroffen und mit ihm gestritten hatten, war er entschlossen. Es ging sehr schnell. Den Draht und die paar Eisenstangen hatte er im Keller. Es brauchte nur ein paar Handgriffe, um das Gestell auf der Foiba zu errichten, und die Gefahr, daß hier oben irgendein fanatischer Jogger vorbeikeuchte, war im Winter, wenn es schon früh dunkelte, gering. Zudem lag der Schnee immer noch genau so hoch wie am Sonntag.
Die Harpune gehörte ihm. Im Sommer ging er an Tagen, an denen es nicht lohnte hinauszufahren, vor der Küste auf Unterwasserjagd. Die Harpune hatte einen aus knallgelbem Kunststoff verkleideten Lauf und Kolben. Er hatte sie geladen und mit drei weiteren Pfeilen und dem Draht in einen Jutesack gesteckt und hinter einen Stein am Eingang der Foiba gelegt. Während Marasi glaubte, er schlüge sein Wasser ab, holte Mario die Harpune und ging zurück zum Wagen. Er riß die Beifahrertür auf und rief:
»Komm raus, Ugo, jetzt geht’s los!«
Marasi
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