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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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ausmachen. Mario erfaßte nicht mehr, was da im einzelnen lagerte, und schaute in vier Katzengesichter, die ihn mißtrauisch von ihrem Versteck hinter dem Fernseher beobachteten. Dann hörte er die Schritte im Treppenhaus. Er lauschte, bis er sicher war, daß sie an der Wohnung vorbei und weiter hinaufgingen. »Bruna!« rief er nochmals. »Wo bist du?« Dann ging er in ihr Schlafzimmer.
     
    Bruna erschrak. Irgend etwas hatte sie gehört. Sie wußte nicht, wie lange sie, vor Ugos Sachen sitzend, geschlafen hatte. Sie saß im Dunkeln und wollte gerade aufstehen, um Licht zu machen, als sie es wieder hörte. Es war ihr Name, der da gerufen wurde, und es konnte nur aus ihrer Wohnung kommen. Sie zog rasch ihre Schuhe aus und ging auf Zehenspitzen in den Flur. Sie hörte Schritte unten im Treppenhaus und wollte die Tür verriegeln, aber in Ugo Marasis Wohnung gab es keine Kette, die sie hätte vorhängen können. Und ihre Schlüssel? Wo hatte sie die Schlüssel hingelegt? Sie huschte in das Wohnzimmer und in die Küche, bevor sie sich erinnerte, daß sie noch außen an der Wohnungstür steckten. Die Schritte im Treppenhaus kamen immer näher. Sie mußte die Tür öffnen. Sie mußte den Schlüssel abziehen und von innen abschließen. Sie mußte schneller sein, erst dann könnte sie die Polizei verständigen und sich in der Wohnung verbarrikadieren, bis Hilfe kam. Bruna öffnete die Tür und griff nach dem Schlüssel – und dann spürte sie einen festen Druck an der Tür und eine riesige Hand, die sich über ihren Mund legte und ihr dann auch noch die Augen verschloß. Alles ging blitzschnell. Dennoch erkannte sie ihn sofort.
     
    Sgubin meldete sich über Funk und teilte mit, daß er Gubian an der Piazza Goldoni gesehen hatte.
    »Bleib dran, aber laß dich nicht sehen!« befahl Laurenti. »Wo Gubian ist, ist Nicoletta nicht weit.«
    »Ich sehe sie schon«, flüsterte Sgubin. »Sie hält gehörig Abstand, aber es ist klar, daß sie ihm folgt. Sie läßt ihn nicht aus den Augen.« Sgubin hatte offensichtlich Geschmack an seiner Verfolgung gefunden.
    »Wohin gehen sie?«
    »Sieht so aus, als hättest du recht: Richtung Via Stuparich. Wo bist du?«
    »Auf dem Viale. Halt mich auf dem laufenden, wo ihr seid. Ich komme zu dir.« Laurenti zog noch einmal kräftig an der Zigarette und warf sie weg. Er hatte Mühe an den Ständen des Nikolaus-Marktes, vor denen sich die Menschen dicht drängten, vorbeizukommen und die andere Seite des Viale zu erreichen. Laurenti bahnte sich grob fluchend seinen Weg. Ohne Sirene half nur noch Unfreundlichkeit.
    Sgubin folgte Nicoletta mit großem Abstand und so langsam, daß die Fahrer hinter ihm immer wieder hupten und blinkten. Laurenti traf ihn am unteren Ende der Via della Ginnastica. Er hatte, hinter einer Mülltonne versteckt, zuerst Gubian vorbeikommen sehen und dann Nicoletta, die finster dreinschaute und immer Schutz suchte, hinter einem Auto oder in Hauseingängen, sobald Gubian langsamer ging oder den Kopf drehte. Laurenti mußte sich tief hinter den Müllcontainer ducken, um nicht von ihr gesehen zu werden.
    »Warum muß ich bloß mein halbes Leben in und hinter stinkenden Mülltonnen verbringen«, dachte er, als er plötzlich Nicoletta vor sich hinschimpfen hörte. Da erinnerte er sich an den Anruf am vergangenen Sonntag, mit dem der Anschlag in Contovello angekündigt wurde. Könnte das Nicolettas Stimme gewesen sein? War das die Lösung?
    Er gab ihr fünfzig Meter Vorsprung und folgte ihr, so wie sie Gubian folgte: Immer darauf bedacht, sofort ein Versteck zu finden, bevor sie ihn sah. Sgubin war in die Via Stuparich vorausgefahren und würde dort auf ihn warten.
     
    Antonio Gubian hielt ein paar Schritte vor dem Haus inne und schaute sich sorgfältig um. Es dauerte nicht lange, bis er die Zivilstreife entdeckte, deren Sicht durch einen Kleinwagen eingeschränkt war, der neben ihnen in der zweiten Reihe parkte. Das konnte ihm helfen, aber er mußte sich beeilen, bevor der Fahrer zurückkam. Gubian hatte Glück. Er sah durch die gläserne Haustür einen hageren Mann mit einem Augenverband die Treppe herunterkommen und auf die Straße treten. Perikles Ritsos war auf dem Weg in die Bar nebenan, um Zigaretten zu kaufen. Bevor die Haustür zufiel, war Gubian im Treppenhaus. Rasch ging er die Treppe hinauf und verschwand aus dem Blickfeld der Zivilbeamten, bevor sie ihn zur Kenntnis nahmen. Den Namen an der Tür im ersten Stock konnte er nicht entziffern, aber er sah Spuren, die

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