Die Toten von Crowcross
oder Aktion, wie manche sagten – organisierten besonderen Massenaktionen teilzunehmen.
Ich habe oft an jenen Abend zurückgedacht. Überlegt, was genau mir Claire in ihrem MG erzählt hat, als sie mich ins Cottage mitnahm . Dabei habe ich sie mindestens so hingebungsvoll angesehen, wie ich ihr zugehört habe, und in meinem Kopf finden sich nur noch Splitter und Fragmente ihrer Worte. Ich hatte natürlich keine Ahnung, als wie bedeutsam sich unser Zusammentreffen herausstellen sollte. Hätte ich auch nur andeutungsweise voraus gesehen, was dabei herauskommen würde, ich wäre nie zu ihr in den Wagen gestiegen, sondern stur weiter geradeaus gegangen . Hätte versucht, ein anderes Auto anzuhalten. Irgendein anderes Auto. Ja, ich wäre sogar bei dem Vertreter geblieben und hätte ihm verdammt noch mal einen geblasen.
Wobei ich annehme, dass sie gar nicht so viel geredet hat. Wenigstens nicht über das, was sie vorhatten. Da waren sie vorsichtig. Vorsichtig, weil sie mögliche Neu-Zugänge nicht verschrecken wollten. Sie redete von der Party und der eigentlichen Bedeutung von Halloween und Beltane, diesem ganzen keltischen Kram. Deshalb habe ich sie zu Anfang wohl für einen Haufen Hippies gehalten, Hippies und harmlose New Ager. Auf einige aus dem größeren Kreis traf das ja auch zu, aber nicht auf den harten Kern. Die Politicos. Wenn ich nur ein bisschen heller gewesen wäre, hätte ich das schon begriffen, als Claire das Radio abstellte, Bowie den Strom abdrehte und Crass in den Kassettenrecorder steckte, Bloody Revolutions. Das sei ihre Lieblingsband, erklärte sie. Sie erinnern sich nicht an die? Sie haben nie etwas von denen gehört? Das würde mich an Ihrer Stelle nicht stören. Zählen Sie sich einfach zu den Glücklichen.
Die Sonne war endgültig verschwunden, als wir ankamen, und die Party bereits in vollem Gang. Ich half ihr, die Kisten mit dem billigen Wein ins Cottage zu tragen, die sie in Crowby besorgt hatte, damit ihnen der Alkohol nicht ausging. Dabei traf ich zum ersten Mal mit Nigel zusammen. Nigel, der sich das Gesicht für die Party rot, grün und gelb angemalt hatte. Nigel, der in den Garten lief, um noch mehr Holz für das Lagerfeuer zu machen. Nigel mit seiner glitzernden Axt, der mir überfreundlich grinsend zuwinkte.
7
Bevor DC Emma Smith den Einsatzraum verließ, gab sie Jane Ebdons Namen in den Computer ein. Ohne Ergebnis. Es gab keine Verurteilungen, in der nationalen Computerdatenbank der Polizei existierte Jane Ebdon nicht. Lediglich in Crowbys System gab es einen kurzen Vermerk der Kollegen von der Sitte: ihren Namen, die letzte bekannte Adresse, das Geburtsdatum und ein paar Sätze dazu, dass sie als Hostess arbeitete und ihre Kunden über das Internet suchte. Das verstieß nicht unbedingt gegen das Gesetz, aber die Sitte betrachtete es als ihre Aufgabe, möglichst viele Daten über die Sex-Arbeiter/innen der Gegend zu sammeln, ob sie ihre Dienste nun auf der Straße anboten oder nicht. Der Vermerk enthielt auch Ebdons Webadresse. DC Smith sah sich die Seite an. Mandy Rivers heißt Sie willkommen. Das übliche, wenig überzeugende Pseudonym, das übliche Mauve und Lila mit kitschiger, ausladender Schrift – der übliche Versuch, den Freiern vorzugaukeln, dass sie für ihr Geld etwas Exklusives, Niveauvolles bekamen, etwas völlig anderes, als sich gegen Vorkasse für eine Stunde einen fremden Körper zu mieten. Auf der Seite Neuigkeiten dann ein unüblicher Eintrag: Ich bedaure, bis auf Weiteres keine Buchungen annehmen zu können.
Sie fuhr über die Umgehungsstraße. Jane Ebdon wohnte in einem kleinen, noch relativ neuen Viertel nicht weit vom Waitrose-Komplex. Die Einzelhäuser standen eng beieinander, mit Carports und kleinen Rasenstücken, ein gesichtsloses Labyrinth aus Zufahrten, Sackgassen und Miniplätzen. Auf Jane Ebdons Vorgartenrasen gab es einen kleinen Brunnen mit einer griechischen Schönheit, die ihren Krug an einer Quelle füllte. In der Einfahrt stand ein Audi-Cabrio. Hübsch, wenn auch nicht mehr ganz neu. Angesichts der frühen Stunde nahm Emma Smith an, dass es sich um Ebdons eigenes Auto handelte, wobei diese Art Hostess wohl sowieso eher Hotelbesuche machte, als ihre Kunden zu Hause zu empfangen, schon um bei den Nachbarn keinen Anstoß zu erregen. Emma merkte sich die Autonummer, man wusste schließlich nie. Sie selbst hätte das nicht gekonnt, für jedermann die Beine breit machen (nach dem Fiasko mit Ray Williams fragte sie sich, ob sie überhaupt noch
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