Die Toten von Crowcross
mal jemanden dazwischenlassen sollte), aber wie fast alle ihre Kollegen verurteilte sie die Professionellen nicht. Für Sex bezahlen und daran verdienen, das hatte es immer gegeben und würde es auch weiter geben, ganz egal, welche Gesetze erlassen wurden. Das Gleiche galt für den Drogenkonsum . Je eher beides legalisiert wurde, desto besser. Dann konnte das CID seinen eigentlichen Auftrag erfüllen: die Schlechten aus dem Verkehr ziehen und die Guten schützen.
Die Tür war mit einer kleinen Kamera und einer Wechselsprechanlage ausgerüstet. Jane Ebdon antwortete schnell, ließ ihre Besucherin aber eine ganze Weile warten, bevor sie die diversen Schlösser öffnete und nach draußen linste.
»Gerade habe ich den Wasserkessel angestellt«, sagte sie freundlich und bat Emma Smith herein.
Sie war eindeutig die Frau von der Website. Anfang dreißig, groß, vollbusig. Smith nahm an, dass Ebdon ohne Make-up und das obligatorische schwarze Ledermieder attraktiver war als mit, aber sie war auch nicht an dem interessiert, was Jane Ebdon verkaufte oder zumindest bis vor Kurzem noch verkauft hatte.
Sie folgte ihr in die Küche. Bisher hatte sie ihr nur gesagt, dass es um eine Untersuchung gehe, die sie, Jane, nicht selbst betreffe, bei der sie aber vielleicht weiterhelfen könne. Wenn die Kollegin am Tatort ihren Job richtig machte, konnte Maureen Bright noch nicht angerufen und erzählt haben, was mit Martin Grove passiert war.
Sie wartete, bis Jane alias Mandy zwei Kräutertees aufgegossen hatte – einmal Kamille, einmal Pfefferminz –, bevor sie fragte, wann sie, Jane, Maureen Bright zuletzt gesehen habe.
»Was soll Maureen denn angestellt haben?«
»Wenn sie uns die Wahrheit gesagt hat, gar nichts.«
Jane Ebdon zögerte und beugte sich zu einer pechschwarzen Katze hinunter, die gerade zur Tür hereingekommen war.
»Wenn ich sagen würde, dass sie gestern Abend hier war und hier übernachtet hat, wäre das …«
Emma Smith gab sich Mühe, neutral zu klingen und keinerlei Hinweis oder Anhaltspunkt zu liefern.
»War das so, Jane?«
Jane/Mandy holte einen Milchkarton von irgendwo weit hinten aus dem großen, amerikanisch anmutenden Kühlschrank und schüttete etwas auf einen hellblauen Teller, den sie vor die miauende Katze hinstellte. Aus dem CD-Spieler links auf dem Schrank kam leise ein Amy-Winehouse-Song. Jane drehte noch leiser und schaltete das Gerät schließlich ganz aus.
»Ja, das war sie«, sagte sie endlich. »Ich habe sie gebeten zu kommen ế Das habe ich in letzter Zeit öfter gemacht. Sie kam so gegen neun von Crowcross herüber, jedenfalls nicht viel später. Wir haben lange geredet, kann sein, bis halb drei, drei. Ich habe ein Gästezimmer, da hat sie anschließend noch ein bisschen geschlafen. Meistens fährt sie beizeiten wieder . So etwa gegen halb sieben. Ihr Freund wacht nicht gern alleine auf.«
Smith fragte, ob Jane sich in Bezug auf die Uhrzeiten sicher sei, was die bejahte, und dann erzählte sie ihr eine Minimalversion dessen, was Martin Grove zugestoßen war.
Jane setzte sich langsam an den Tisch.
»Himmel, die arme Maureen«, sagte sie nach einem langen Schweigen. »Er war in den letzten Jahren ihr Ein und Alles, wobei ich selbst ihn nie kennengelernt habe. Ich war nie bei ihnen draußen. Ich glaube, Maureen wollte es ihm nicht zu sehr unter die Nase reiben – Sie wissen schon, womit sie früher ihr Geld verdient hat.«
»Kennen Sie sich daher? Vom Escort-Geschäft?«
Die Antwort lag auf der Hand; die Frage hatte eher als Stichwort dienen sollen.
»Als ich noch bei einer Agentur war, haben wir hin und wieder zusammengearbeitet. Ich mochte sie, wir haben uns gut verstanden. Bis Maureen aus der Bahn geriet.«
Smith dachte an Maureen Brights PNC-Eintrag.
»Aus der Bahn geriet? Sie meinen, bis sie anfing, nebenher auch noch zu dealen?«
»Ich meine, bis sie anfing, selbst was zu nehmen. Nur deshalb hat sie ja gedealt. Und die Agentur hat sie sofort fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Am Ende hat sie auf der Straße gearbeitet. Sie war eine Junkie-Hure.«
»Aber Sie haben zu ihr gehalten?«
»Ich habe getan, was ich konnte. Was nicht viel war. Hin und wieder bekam sie bei mir ein sicheres Bett für die Nacht und manchmal auch ein bisschen Geld, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie es wirklich brauchte.«
»Und dann kam Martin Grove und hat sie gerettet.«
Ganz leicht, als sei sie sich dessen gar nicht bewusst, schüttelte Jane Ebdon den Kopf.
»Ich denke, sie haben
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