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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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nicht mehr. Ich weiß nur, dass er nichts sagte, nicht antwortete. Jetzt redete keiner mehr.
    Nur noch Andy.
    »Alles, was du willst, ist überleben. Alles erschießen, was sich bewegt, und überleben. Ich habe keine Ahnung, wie viele ich getroffen und erschossen habe. Kapierst du das? Keine verdammte Ahnung. Hast du je eine ganze Nacht in einem Loch gelegen, Stevie? Die ganze Nacht unter Beschuss in einem Loch? Weißt du überhaupt, was ein Loch ist?«
    Vielleicht schüttelte Steve den Kopf. Ich weiß es nicht. Ich sah Andy an, der von dem Wein trank und nicht bei uns war. Wo immer er sein mochte, bei uns in der Küche war er nicht.
    »Ein Loch ist eine feindliche Position, die du erobert hast. Da gräbst du dich ein, du verbuddelst dich, kapiert?«
    Er stand auf, ging zur Spüle hinüber und lehnte sich dagegen . Sah uns einen nach dem anderen an.
    »In dem Loch lag noch ein Argie. Tot. Aber was da lag, war nur sein Körper. Der Kopf war weg. Weggeschossen. Weggesprengt. Auch die Arme und so.«
    Er sprang vor, riss Steve von seinem Stuhl und hatte ihn auch schon an der Wand, drückte seinen Kopf gegen die Pinnwand mit dem Abwaschplan. Schnell. Blitzschnell. Niemand hatte es kommen sehen.
    »Den Kopf haben wir am nächsten Tag gefunden, Stevie, als wir aus dem Loch wieder raus sind. Ich meine, das, was davon noch übrig war. Wir haben ein kurzes Fußballspiel damit eingelegt. Drei gegen drei. Und dann noch schnell ein bisschen gezaubert. Da war ich der Beste, ganz klar. Ich konnte den Kopf von dem toten Argie am längsten in der Luft halten. Das ist komisch, Mann, das ist ein verdammter Witz, oder? Das nenne ich einen Knaller.«
    Ich nahm an, dass er vielleicht einen schlechten Trip eingeworfen hatte (es gab damals viel mieses LSD) oder einfach betrunken war. Oliver und ich versuchten, ihn von Steve wegzuziehen, aber er war auch für uns beide zusammen zu stark. Am Ende brachten Hilary und Liz ihn dazu, loszulassen, wofür er Hilary einen Schlag verpasste. Schnell und hart, ins Gesicht, und dazu nannte er sie arrogantes Miststück.
    Später brach er weinend zusammen. Das habe ich gehört. Nachdem auch alle anderen schlafen gegangen waren, kamen Hilary und er in den Keller. Andy schluchzte wie ein Baby und sagte immer wieder, es tue ihm leid, so leid. Am nächsten Tag entschuldigte er sich öffentlich bei Steve und Liz. Die machten kein großes Aufhebens davon und sagten, es sei schon okay. Aber nicht lange danach verließen sie Myrtle Cottage, und wir haben nie wieder von ihnen gehört.
    Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich sie schnell vergessen habe. Ich war zu beschäftigt. Ich hatte zu viel mit dem Zaun-Komitee und dem Zugang zum Flughafengelände zu tun. Schließlich entschieden wir uns für den letzten Sonntag im November als Datum für das große Ereignis.
    Wochenenden waren für wichtige Aktionen, die eine möglichst große Beteiligung verlangten, am besten geeignet. Am Wochenende konnten auch Unterstützer von weiter her anreisen, was die Chancen auf einen Erfolg vergrößerte. Nach Che Guevara, Mao Tse-tung oder Lenin (ich weiß nicht mehr genau, wer es war, aber das macht nichts) schwamm der revolutionäre »Fisch« sicher im »Meer der Menschen«, vorausgesetzt, sie erkannten ihre welthistorische, revolutionäre Rolle und nahmen sie an . So ungefähr sahen wir im Zaun-Komitee die geplante Novemberaktion. Während der Feind durch den friedlichen Massenprotest abgelenkt wurde, sollte die revolutionäre Elite ihm einen Arschtritt verpassen, die große Start- und Landebahn hinauf und hinunter und wieder zurück.
    Nigel und Claire unternahmen vorher eine einwöchige Tour durchs Land. Nachdem sie bei der Demo in London gute Kontakte geknüpft hatten, reisten sie jetzt von Uni zu Uni und warben auf Kundgebungen um Unterstützung für den 27. November. In Crowby selbst lief die Plakatklebertruppe zu neuer Höchstform auf. KAMPF DEN BOMBERN! GEMEINSAM FÜR DEN FRIEDEN!, war unser zentraler Slogan. Fünf von uns wurden festgenommen, als sie an einem Freitagabend versuchten, den Haupteingang des Rathauses zu bekleben. Das war eine wahnsinnige Aktion, die scheitern musste. Ich hatte die Leute gewarnt, aber sie wollten nicht auf mich hören. Einige Zeit zuvor war der gesamte Bereich um das Rathaus, das Polizeipräsidium und das Arndale Center zur Fußgängerzone gemacht worden. Mit dem Auto kam man dort nicht mehr hin, nur Taxis und Polizeiwagen hatten ein Durchfahrtsrecht. Damit war das Klebekommando eine

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