Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
Vom Netzwerk:
Martin Grove und das Einschussloch in dessen schlaff daliegendem Kopf aus der Nähe anzusehen. Erst wenn man eine Pause machte und Atem schöpfte, wurde einem bewusst, wie lange man schon arbeitete, sich abmühte und mit dem Kopf gegen sämtliche auffindbaren Mauern rannte.
    Sein Handy klingelte, als er Messer, Gabel und Teller zurück auf das rote Plastiktablett stellte. Es war der Einsatzraum, die Stimme irgendeines Diensthabenden vom CID, die er nicht gleich erkannte.
    »DC Phillips hier, Sir«, sagte die Stimme vorsichtig, vielleicht ein wenig zu höflich. »Wir haben gerade einen glaubwürdigen Anruf erhalten, was die Identität der weiblichen Toten im Crowcross Wood betrifft. Den vollen Namen, Alter und Adresse, Sir, und, äh, ja, auch ihren Beruf.«

Mittwoch.

18
    Martin Grove.doc
    Tag und Nacht war die Küche der Mittelpunkt im Myrtle Cottage. Sie war immer warm, das Teuer im Herd schien nie auszugehen, und wenn ich nachts nicht schlafen konnte oder mir danach war, länger aufzubleiben, ging ich hinauf und hoffte, dass sich da oben noch etwas tat. Gewöhnlich saßen mindestens zwei, drei Leute um den Tisch herum, teilten sich womöglich einen Joint und schwatzten, stritten, debattierten. Wenn Andy dabei war (und das war er oft, ob nun mit oder ohne Hilary), gab es zudem immer reichlich von seinem starken Reiswein. Wie sich he raus stell te, war ich an dem (soweit ich weiß) einzigen Abend da, an dem er davon erzählte, wie es auf den Falklands gewesen war.
    Im Allgemeinen sagte er darüber lediglich, es sei alles eine einzige Scheiße und eine Vergeudung junger Leben gewesen. Wir wussten alle, dass es besser war, ihn nicht nach seinen Erlebnissen zu fragen, weil das ganz eindeutig etwas war, das er hinter sich lassen wollte. Aber irgendwann redet der Mensch eben über alles. Das ist eine Wahrheit, die ich im Gefängnis erfahren habe. Jahrelang kann ein Mann sich ausschweigen über das, was ihn von innen her auf frisst, dieses scharfe Stück Eisen in seiner Seele. Aber dann, eines Tages, aus dem absoluten Nichts heraus, stellt er dich, verwickelt dich in ein Gespräch und besteht darauf, dir Dinge zu verraten, von denen er nie jemandem erzählt hat, nicht seiner Frau, nicht seiner Familie und auch nicht seinem Anwalt. Hilary war an dem Abend auch da, sie saß neben Andy. Neben ihr Oliver. Dann kamen Steve und Liz. Claire und Nigel waren natürlich nicht da. Die hatten sich wie immer früh ins Bett zurückgezogen und waren noch eine ganze Weile, ebenfalls wie immer, lautstark zu hören gewesen .
    Steve und Liz waren die klassischen Protestierer. Ich glaube nicht, dass ich je mehr als ihre Vornamen kannte. Sie waren nette Mittelklasse-Studenten, die dem College den Rücken gekehrt hatten, um sich dem Protest anzuschließen. Ökologisch-pazifistische Veganer. Nach Claires und Nigels Ansicht waren sie »nicht wirklich politisch«, und so gehörten sie auch nicht zum inneren Kreis. Sie verkauften in Crowby und Wynarth eine Art anarchistische Zeitschrift und kamen gerade von einer Tour durch die Pubs zurück. Auf dem Titel der letzten Ausgabe ihres Heftes war die Parodie einer Rekrutierungsanzeige der Army zu sehen. Als Soldat bist du ein Knaller!, stand da über einer Bombe in Uniform, und unten war ein Bewerbungscoupon angehängt, mit Name, Adresse, Alter und Sarggröße.
    Andy griff sich ein Exemplar, betrachtete es eine Weile und entschied sich dann, aus welchem Grund auch immer, nicht das Komische daran zu sehen.
    »Fast tausend sind getötet worden, Stevie«, sagte er und ließ die Zeitschrift auf den Tisch fallen. »Fast zweitausend verwundet und verdammt noch mal verkrüppelt. Ist das lustig? Reißt man darüber clevere Witzchen?«
    Steve und Liz waren vielleicht etwas bekifft, auf jeden Fall aber langsam und leicht benebelt.
    »Natürlich nicht, Mann«, sagte Steve nach einer Minute, »deswegen machen wir das doch, oder? Versuchen den Kids zu zeigen, dass das nichts Tolles ist. Sich umbringen zu lassen, damit die Politiker gut dastehen.«
    Andy öffnete eine Flasche Reiswein. Er hatte eine ganze Tasche voll aus dem Keller hochgeschleppt. Aber er ließ die Flasche nicht kreisen, sondern begann gleich selbst daraus zu trinken und drückte sie anschließend an seine Brust.
    »Tumbledown«, sagte er und starrte Steve an, als wäre sonst niemand im Raum. »Hast du davon schon mal gehört, Mann? Mount Tumbledown? Oder von dem verfluchten Goose Green?«
    Vielleicht versuchte Steve ihn anzulächeln. Ich weiß es

Weitere Kostenlose Bücher