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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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allem lief ich immer weiter und war irgendwann kaum noch zehn Meter vom nächsten Container entfernt. Ich sah Nigel und einige andere ihre Spruchbänder auf dem Dach des Hauptcontainers aufspannen und entdeckte kurz darauf auch Claire, die gerade in Rugbymanier von den Beinen geholt und von gleich zwei Riesenkerlen wieder hochgerissen wurde. Der eine hielt sie von hinten und presste ihr die Arme an den Leib, während der andere (ich schwöre bei Gott, dass es so war) an ihren Kleidern riss und sie überall, wirklich überall, begrapschte. Ich stürmte auf ihn los und versuchte es Andy gleichzutun. Aber ich bekam den Arm nicht über seine Schulter und unter das Visier. Er stieß mich weg wie ein lästiges Etwas, und schon gingen sie zu zweit auf mich los.
    »Lauf weg, los!«, konnte ich Claire gerade noch Zurufen, bevor mich ein Knüppel mit unglaublicher Wucht seitlich am Kopf traf.
    Ich denke, ganz habe ich die Besinnung nicht verloren, aber es folgte eine Phase einzelner Erinnerungsfetzen, wie bei einem digitalen Fernsehbild, das ständig aufreißt und hängen bleibt. Wirklich wach wurde ich erst wieder im Erste-Hilfe-Bereich, den sie organisiert hatten. Dort warteten jede Menge Demonstranten darauf, untersucht zu werden . Das Ganze hatte etwas absolut Surreales. Irgendwann kam ein Sanitäter (oder sogar ein Arzt, wenn man Glück hatte), nahm dich in Augenschein und entschied, ob du zur Behandlung ins Krankenhaus musstest oder nicht. Dann stelltest du dich entweder an Schlange eins oder an Schlange zwei an, und es ging ins Krankenhaus (und die Polizei bekam dich erst hinterher) oder du wurdest gleich verhaftet und eingebuchtet. Das heißt, erst musstest du ohne Essen und Trinken noch ein paar Stunden warten, bis ein Bus kam, der dich ins nächste Gefängnis brachte, in dem noch eine Zelle frei war.

21
    Jacobson hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter von Ted Nelson, seinem einzigen Kontaktmann bei der SOCA, der Serious Organized Crime Agency. Nelson war der einzige Mann dort, von dem er wusste, dass er seinen Anruf nicht ignorieren oder nur zurückrufen würde, um ihn zum Teufel zu schicken (Jacobson war nicht unbedingt ein begabter Networker). Danach verfiel er in Schweigen. Kerr, der sie von Birmingham zurück nach Crowby fuhr, schwieg ebenfalls und stellte nicht einmal Musik an. Jacobson wusste, warum. Genau wie er durchforstete vermutlich auch Kerr seinen Kopf nach allem, was er über Gerald Donovan Quigg wusste.
    Wenn man Quigg einen Drogendealer nannte, konnte man die Queen als Eigenheimbesitzerin mit kleinem Aktienportfolio einordnen. Quigg saß ganz oben und war theoretisch unantastbar. Die Midlands bildeten sein Hauptrevier, doch war sein Kartell auch an Geschäften im Nordwesten und unten in London beteiligt. Quiggs Imperium war mafiaähnlich aufgebaut, nach dem klassischen Muster mit kleinen Straßenkötern unten, etwas größeren Kötern, lokalen Leitwölfen und übergeordneten Größen – und über allem schwebte er, der Oberboss, Quigg. Quigg tat nichts, Quigg wusste nichts, aber profitierte von allem. Selbst noch die Ebene unter ihm hatte allenfalls mit Verwaltung und Verteilung zu tun, ohne sich selbst die Hände schmutzig machen zu müssen. Wer einmal zum vollwertigen Mitglied der Organisation aufgestiegen war, hatte mit der unmittelbaren Versorgung der Konsumenten nichts mehr zu tun. Das Straßengeschäft wurde den Straßenkötern überlassen. Wer über ihnen saß, hatte wichtigere Aufgaben. Quigg selbst hatte vor langer, langer Zeit ganz unten angefangen, mit kleinen Deals in Studentenkneipen, damals in den Siebzigern. Wäre er stattdessen in den Computer- oder Waschmaschinenhandel eingestiegen, hätte er inzwischen womöglich zu den großen Industriekapitänen gehört, die von der Regierung in Beratungsgremien berufen wurden und an berühmten Universitätsinstituten Gastvorträge hielten . Da er aber einen anderen Wirtschaftszweig gewählt hatte, war sein Name bislang hauptsächlich Polizisten und Berufskriminellen bekannt. So war es zumindest bis vor Kurzem gewesen.
    Die SOCA gab es erst seit ein paar Jahren, sie sollte zu einer Art »Super«-Behörde aufgebaut werden, die sich mit dem organisierten, überregional vernetzten Verbrechen beschäftigte und um Fälle kümmerte, die die Möglichkeiten regionaler Polizeikräfte überstiegen. Produziert hatte die SOCA bisher allerdings nur ein gerüttelt Maß an Problemen, Pannen und Pleiten. Dazu trug nicht unwesentlich bei, dass die

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