Die Toten von Crowcross
durch den Briefschlitz zu spähen. Was er sah, ließ ihn sofort seine Schulter gegen die Tür rammen, so fest er konnte. Als das nicht funktionierte, trat er gegen das Schloss. Die Tür war äußerst solide, und er wollte schon aufgeben, als er beim vierten Tritt das Gefühl hatte, da gebe etwas nach. Zwei Nachbarinnen waren aus ihren Häusern getreten, um zu sehen, was da vorging. Atemlos fischte er in seiner Tasche nach dem Ausweis und hielt ihn ihnen hin . Dann probierte er es noch einmal mit der Schulter - und fiel mehr in den Hausflur hinein, als dass er die Tür aufstieß. Die Nachbarinnen linsten an ihm vorbei. Eine konnte gar nicht wieder wegsehen, die andere wandte sich, schockiert und einer Ohnmacht nahe, ab. Ann Ledbury, Martin Groves Beinahe-Frau, schaukelte, den Hals in einer Schlinge, sacht über der untersten Stufe ihrer abgebeizten Kiefernholztreppe hin und her.
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Martin Grove.doc
Alle, die auf der Airbase verhaftet worden waren, verbrachten wenigstens eine Nacht in einer 2elle ẽ Am Montagnachmittag bekannte ich mich vor dem Magistrates’ Court des Landfriedensbruchs schuldig und wurde mit einer Geldstrafe von fünfundzwanzig Pfund belegt. Ein Anti-Atom-Pfarrer fuhr mich zurück ins Cottage. Die örtliche Anti-Atom-Bewegung bezahlte meine Strafe, genau wie die von vielen anderen. Dafür gab es einen eigenen Spendentopf. Das »Radikale Rechtskollektiv Crowby« hatte den meisten Verhafteten geraten, sich schuldig zu bekennen. Dafür wurde einem eine mildere Strafe praktisch zugesichert. Wer nichts zu den Prügeleien der Polizisten sagte und sich nicht beschwerte, brachte die Sache schnell hinter sich und kam mit einer »milden« Strafe davon. Wie zu uns durchdrang, wollten auch Claire und Nigel, dass wir uns so verhielten. Offenbar fanden sie, dass wir draußen auf der Straße nützlicher waren als in Untersuchungshaft.
Claire selbst war nicht verhaftet worden, sondern hatte vom Flugplatz entkommen können, nachdem ich ihre Angreifer attackiert hatte. Nigel hatten sie gekriegt. Zusammen mit fünf anderen von der Aktionstruppe hatte er es aufs Dach des Hauptcontainers geschafft (bedauerlicherweise aber nicht hineingelangen können) und fast eine Stunde da oben verbracht. Sie schwenkten Fahnen, und Nigel hielt politische Reden, alles für die Fernsehnachrichten, die es allerdings nicht für nötig befanden, etwas davon zu senden (aber vielleicht war ja auch dieses Material »verloren« gegangen). Diese Gruppe sah einer ernsteren Anklage entgegen, unter anderem ging es um die Beschädigung von Staatseigentum. Hier sah der Plan vor, dass sie auf nicht schuldig plädierten, um durch die Verhandlung öffentliche Aufmerksamkeit zu entfachen. Drei von ihnen wurden auf Kaution freigelassen, die anderen drei blieben in Untersuchungshaft (und wurden bald schon die »Crowcross Three« genannt). Nigel als bekannter Agitator war einer von ihnen.
Die Atmosphäre bei der nachfolgenden Montagsbesprechung ist schwer zu beschreiben. »Gedämpft« trifft es vielleicht noch am besten. Claire schien die Aktion als einen Erfolg zu werten. Selbst wenn das Ausmaß der polizeilichen Gewalt aus den großen Medien herausgehalten worden sei, erklärte sie, etwas davon sei durchaus nach außen gedrungen und werde sicher Leute zum Nachdenken darüber bewegen, was in diesem Land vorgehe. Das Rechtskollektiv meinte zudem, bis zu dem Prozess gegen Nigel und die anderen könnten womöglich Monate vergehen, was uns laut Claire reichlich Zeit gab, die Trommel zu rühren und Unterstützung zu organisieren. Ihr Blick war immer rein trotzkistisch (wenn ich das damals sicher auch noch nicht so gut verstand): Schlimmer ist besser – je stärker der kapitalistische, faschistische Staat die Krallen zeige, desto mehr Menschen würden ihn als das erkennen, was er sei.
Nicht alle stimmten ihr darin zu. Vor allem viele der Protestierer aus Wynarth und Crowby nicht, die wegen unseres Vordringens auf den Flugplatz wütend waren, vor allem weil wir die Aktion heimlich und ohne jede Rücksprache mit ihnen geplant hatten. Sie sahen es so, dass wir ihre friedliche Demonstration für unsere Ziele missbraucht hatten. Etliche von ihnen waren so sauer, dass wir sie nie wieder im Cottage sahen. Die Schuldbekenntnisse wurden ebenfalls kritisiert, und eine ganze Reihe von Demonstranten waren dem Rat des Rechtskollektivs auch nicht gefolgt, unter anderem jene, die gar nicht auf den Flugplatz vorgedrungen, aber trotzdem verhaftet worden waren . Die
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