Die Toten von Crowcross
Handy besessen. Laut Maureen Bright war er »eigen« gewesen, was Handys betraf. Offenbar hatte ihm der Gedanke, dass man lokalisierbar war, sobald man sein Handy einschaltete, nicht behagt. Karen Holt hatte natürlich ein Handy besessen, aber es schien weder in ihrer Wohnung noch in ihrem Büro bei Mott zu liegen und war auch im Crowcross Wood nicht gefunden worden. Jacobson hatte Barber gebeten, sich von Mott die Nummer geben zu lassen und beim Handybetreiber die verfügbaren Daten abzurufen.
Er ging zurück in die Küche und sah einem Spurensicherer dabei zu, wie er mit seinem Pinsel beim Herd nach Fingerabdrücken suchte. Eindringlinge, wenn denn welche hier gewesen waren, hatten mit Sicherheit Handschuhe getragen, trotzdem konnte jemand, der auf die eine oder andere Weise mit dem Mord zu tun hatte, vorher schon einmal in der Wohnung gewesen sein, ohne solche Vorsicht walten zu lassen . Neunzig Prozent der Polizeiarbeit bestanden darin, so vielen Spuren wie nur möglich nachzugehen, Hinweise zu vergleichen, Annahmen zu bestätigen oder zu widerlegen sowie Möglichkeiten zu erforschen, auszusondern und einzuengen – und trotzdem lag man nachts noch wach und verwandte einen Großteil der verbleibenden zehn Prozent darauf, sich zu überlegen, was man wohl vergessen oder noch gar nicht in Betracht gezogen hatte.
Es klingelte an Karen Holts Tür. Draußen standen die beiden Birminghamer DCs, deren Aufgabe es war, die übrigen Hausbewohner aufzuspüren und zu befragen. Am Eingang unten gab es zudem eine Überwachungskamera, deren Material durchgesehen werden musste. Nach Eliminierung aller im Haus Wohnenden blieben dabei womöglich ein oder zwei hilfreiche Bilder übrig. Das war eine wichtige Aufgabe, die Jacobson nun an zwei unbekannte Kollegen delegierte, aber die strengen Regeln für die Zusammenarbeit zwischen zwei CIDs ließen ihm kaum eine Wahl. Er sprach im Treppenhaus mit den beiden DCs und vergewisserte sich, dass sie richtig instruiert waren. Anschließend kehrte er in Karen Holts Wohnzimmer zurück, wo Kerr gerade die CD-Sammlung der Toten in Augenschein nahm. Das hatte etwas Herzloses, schien für Kerr aber ein geschätzter, wichtiger Teil seines Jobs zu sein.
»Sie sollten eine Fernsehshow machen«, sagte Jacobson, »›Mordopfer: ihre hundert beliebtesten Melodien«.«
So leicht ließ Kerr sich nicht in Verlegenheit bringen. Er stöberte ungerührt weiter in Holts CD-Regal.
Jacobson wollte zurück nach Crowby. Er hatte gesehen, was er sehen musste. Falls der Mörder oder die Mörder – oder sein/ihr Helfershelfer – bereits hier gewesen waren, hatte er/hatten sie alles mitgenommen, was interessant hätte sein können. Er musste im Grunde nicht mehr wissen, als dass Karen Holt bei der Detektei beschäftigt gewesen war, die Nachforschungen für Martin Groves dritte Berufung angestellt hatte. Deshalb war sie tot, das war die Verbindung, in die es Licht zu bringen galt. Wer sie sonst gewesen war, tat nicht so viel zur Sache.
Auch das Plakat vom Creamfields Festival, das einen großen Teil einer der Wände einnahm, mochte er nicht mehr sehen. Genau das gleiche Plakat hatte er bei seinem letzten Besuch bei seiner Tochter hängen sehen. Sally hatte London endlich den Rücken gekehrt und lebte unten in Bristol, in der Nähe der Universität. Was nicht hieß, dass sie zur Ruhe gekommen wäre. Nach wie vor wechselte sie ständig den Job und fand nicht, wonach immer sie in ihrem Leben suchen mochte. Das war vielleicht auch Karen Holts Problem gewesen, vielleicht hatte sie deswegen den Journalismus gegen die Arbeit als Privatdetektivin eingetauscht, und vielleicht hatte sie deswegen neben dem normalen Job auch noch schwarz für Grove gearbeitet. Ein sexistisches Schwein, das Jacobson nicht war, hätte sich auf die Entdeckung ihres verstümmelten Körpers einen süffisanten, widerwärtigen Reim machen können.
20
Martin Grove.doc
Sonntagnachmittag um drei haben wir den Flugplatz umstellt. Die Beteiligung war toll, obwohl die Polizei, wie wir später erfuhren, verdächtige Autos, vor allem angemietete Busse, auf der Autobahn angehalten und ihnen den Zugang zum Bezirk verwehrt hatte. Einfach festgehalten hatten sie die Leute und ihre Weiterfahrt so weit verzögert, dass sie es nicht mehr rechtzeitig zu unserer Aktion schaffen konnten. Ähnliches war am Bahnhof Crowby veranstaltet worden. Leute wurden nach Waffen und Drogen durchsucht, und die Polizei unternahm alles, was unter den bestehenden Gesetzen gerade
Weitere Kostenlose Bücher