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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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nickte bedeutungsschwer. Wahrscheinlich wollte er Hunter nicht widersprechen, solange es nicht absolut unumgänglich war.
    »Und als er sie schließlich fand und kapierte, dass sie tot war, ist er blutverschmiert bis nach Crowcross gerannt, um die verdammte Notrufnummer zu wählen?«
    Wieder dieses Nicken.
    »So hat er es erzählt, Sir.«
    »Und er gibt zu, dass er einer von diesen Protest-Affen aus dem Irren-Cottage ist?«
    »So scheint es, Sir. Er sagt allerdings, seine Mutter wohnt in Crowby, drüben in Woodlands.«
    Jacobson meinte sich zu erinnern, dass Hunter bei der Erwähnung von Woodlands geschnaubt hatte, wusste aber auch, dass er sich da nicht sicher sein konnte. Die Erinnerung veränderte die Wirklichkeit, schmückte sie aus und verzerrte sie. Der Mensch glaubte, ein unauslöschliches Protokoll seines Lebens im Kopf zu haben. Aber das stimmte nicht. Das Protokoll war ein unfertiger Film, der ständig neu bearbeitet und nachgedreht wurde, und jede neue Version überschrieb und löschte, was vorher da gewesen war, bis am Ende an das Ursprungs material nicht mehr heranzukommen war. Seiner Erinnerung nach war darauf erst mal Schweigen eingetreten. Nur das Ticken der alten Bahnhofsuhr an der Wand war noch zu hören gewesen – und die Schritte von DCI Hunter, der in seinen immer noch matschigen Schuhen im Wachraum auf und ab ging und nachdenklich dreinblickend seine Zigarette rauchte.
    »Also gut«, hatte er endlich gesagt. »Kein Tee mehr für den Sonnyboy. Lassen Sie ihn von einem Streifenwagen hinüber ins Präsidium bringen, und wenn er frech wird und einen Anwalt will, tun Sie so, als hätten Sie es nicht gehört. Oder klatschen Sie ihm eine. Wie Sie’s machen, ist mir egal.«
    DS Irvine lachte laut auf, der Sergeant, so wie Jacobson sich erinnerte, nicht.
    »Sie denken, Sie haben genug für eine Anklage, Sir?«, brachte der Sergeant hervor.
    »Sehr bald schon, Freundchen. Darauf können Sie sich verlassen«, bellte Hunter und trat seine Zigarette auf dem Boden der Polizeiwache aus.
    Jacobsons Telefon klingelte und riss ihn aus seinen Gedanken. Das ist alles so lange her, dachte er und nahm ab. Nach so vielen Jahren war es schwer, sich der Details noch sicher zu sein. Ein paar Dinge allerdings hätte er geschworen, bei seinem eigenen Leben und sogar bei dem seiner Tochter: dass Hunter »Freundchen« gesagt hatte. Dass er die Zigarette auf dem Boden des Wachraums ausgetreten und dem Sergeant erklärt hatte, er könne Martin Grove ruhig eine »klatschen«, wenn er wolle.

28
    Der Anruf kam aus dem Einsatzraum. Es war wieder der junge DC Phillips, der Jacobson berichtete, der Suchtrupp im Crowcross Wood habe die Überbleibsel des abgeschnittenen Stücks Zunge von Karen Holt gefunden. »Überbleibsel« ist wahrscheinlich der passende Ausdruck, dachte Jacobson, nachdem er Phillips zugehört hatte. Der Fund untermauerte die Theorie, dass Holt die Zunge direkt nach dem Erschießen herausgeschnitten worden war. Dann war sie wie die von Martin Grove in eine Plastiktüte gesteckt worden. Allerdings war das in Karen Holts Fall im Wald geschehen, und Tüte und Zunge waren später von einem oder mehreren Tieren weggeschleppt worden . Ein paar Reste hatten sie nun etwa eine Meile vom Tatort entfernt in der Nähe eines Fuchsbaus gefunden. Es sei wohl nicht sehr viel übrig, erklärte Phillips, aber immerhin genug, um die Identität zu bestimmen.
    Jacobson legte auf. Seine Gedanken hingen immer noch in der Vergangenheit fest. Hunter hatte von der Wache in Wynarth aus ein paar Leute angerufen und dann Jacobson aufgefordert, ihn und Irvine zurück nach Crowby zu fahren. Es war möglich, dass ihnen auf dieser Fahrt der Streifenwagen, den Hunter für Martin Grove angefordert hatte, entgegengekommen war, aber Jacobson konnte sich nicht daran erinnern ế Hunter und Irvine waren beide noch zur Toilette gegangen, bevor sie sich auf den Weg machten. »Muss mal schnell pissen«, hatte Hunter gesagt, und der Sergeant hatte sich über seine Arbeit gebeugt.
    Währenddessen hatte Jacobson die Tür zum Nebenzimmer vorsichtig einen Spaltbreit geöffnet, einen Blick hineingeworfen und sie schnell wieder geschlossen. Martin Grove hatte nicht die Zeit gehabt, ihn zu bemerken, und er hatte seinerseits nicht viel von Grove gesehen, einem dürren Kerl in dreckigen Jeans und einem abgetragenen karierten Hemd, dunkelgrün, wenn er sich richtig erinnerte. Das Haar sah strähnig aus, ungepflegt. Ob Grove wirklich glasige Augen gehabt und

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