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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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gründlichst gewaschen worden. Darüber hinaus wurden ihre Kleider ebenso wie die einiger Gefangener verbrannt. Aus den verbliebenen Spuren ließ sich nichts herauslesen, darauf war keine Anklage zu gründen . «
    Kerr wartete immer noch auf die Liste, die der stellvertretende Anstaltsdirektor von Boland ihm versprochen hatte. »Spätestens heute Nachmittag« war das Letzte, was er dazu gehört hatte, und er war in der Hoffnung hergekommen, dass Vine ihm schon vorher ein paar wichtige Hinweise liefern würde.
    »Haben Sie je mit Martin darüber gesprochen, nachdem er endlich freigekommen war?«
    »Nein, nicht wirklich. Bücher, Musik, Kunst, das waren die Dinge, über die ich mit ihm sprechen wollte. Zu denen ich ihn ermutigen wollte. Positives, verstehen Sie? Nichts Negatives. Er hat nach seiner Entlassung eine Magisterarbeit angefangen, und dann hat er sie zur Seite gelegt, um seine verdammte Lebensgeschichte aufzuschreiben.«
    »Sie meinen, das war keine gute Idee?«
    Vine schüttelte den Kopf.
    »Ich fand das schrecklich. Er war wie alt, als er herauskam? Vierzig? Das ist heute doch kein Alter. Ihm lag die Welt zu Füßen – und er hat seine Zeit in Crowcross vergeudet und seine ganze kaputte Vergangenheit noch einmal durchlebt. Jeden einzelnen Tag.«
    Wieder klingelte das Telefon. Diesmal nahm Vine ab und schien regelrecht darauf zu lauern, dass irgendetwas ihn von Martin Grove ablenkte. Auch wenn es etwas völlig Banales war, wie Kerr heraushören konnte: Offenbar hatte ein Tutor eine Autopanne und konnte nicht rechtzeitig zum Unterricht kommen. Grove war auf die eine oder andere Weise eine von Vines Erfolgsgeschichten gewesen, und davon hatte es über die Jahre hinweg vielleicht eine Handvoll gegeben. Nur hatte er sich jetzt umbringen lassen und damit Vine die Bilanz verdorben. Zumindest bis der nächste meditierende, akademische Ehren anstrebende, unschuldig verurteilte Kandidat auftauchte.

27
    Endlich fand Jacobson Zeit für die Claire-Oldham- Unterlagen. Wahrscheinlich nicht viel Zeit und ganz sicher nicht genug für alles, was da aus dem Archiv in den Einsatzraum gebracht worden war. Aber es würde ein Anfang sein, ein Schritt in die richtige Richtung. Nach der Besprechung hatte er in seinem Büro im fünften Stock den Abschlussbericht aus der Hauptkiste genommen und beschlossen, damit zu beginnen. Er legte die Mappe vor sich auf den Schreibtisch, öffnete seinen Kragen und lockerte die Krawatte. Während er las, stiegen die Bilder wieder vor ihm auf. Er spürte den prasselnden Regen, hörte das Schmatzen der Schuhe in der durchweichten Erde und sah ihre toten Augen vor sich. Als er für DCI Hunter die Stablampe auf ihren toten Körper richtete, schienen diese Augen ihn anzustarren, nur ihn, ihn allein,
    Hunter war im Pub gewesen, das fiel ihm plötzlich wieder ein. Er war nicht betrunken, nein, aber sein Atem roch nach Bier und Whisky. Hunter, DS Irvine und ihre »Getreuen«, wie Hunter seine Hofschranzen zu nennen pflegte, beendeten mehr oder weniger jeden Arbeitstag im »Brewer’s Rest«. Nur den Freitag ließen sie witzigerweise aus. Eine von Hunters Maximen besagte, dass er samstags morgens nicht mit einem Kater aufwachen wollte, denn samstags, so war das damals, kam ein DCI normalerweise nicht ins Präsidium. Schwere Köpfe sind der Arbeitszeit Vorbehalten , mein Junge , hatte er Jacobson einmal erklärt. Niemand will einen freien Tag mit Kopfschmerzen beginnen.
    Jener Abend allerdings war ein Donnerstagabend gewesen, kein Freitag. Jacobson hatte gerade gehen wollen und war fast schon aus der Tür gewesen, als der Anruf von der Wache in Wynarth kam: eine Tote im Crowcross Wood, sehr wahrscheinlich ermordet. Mittags hatte er Janice angerufen, und sie hatte gesagt, das mit dem Babysitter für Sally habe geklappt und sie könnten endlich einmal wieder richtig ausgehen . Von einem Film hatte sie gesprochen, Die Stunde des Siegers , den sie im Odeon zeigten, und sie hätte nichts dagegen, ihn zu sehen. »Ich hätte nichts dagegen« – das war damals Janice’ Art, auszudrücken, dass sie etwas wirklich wollte. Jacobson schluckte. Wie glücklich Janice und er einmal gewesen waren! Einander so nahe. Sie hatten die Höhen und Tiefen des Elternseins geteilt und eine lange gemeinsame Zukunft geplant. Manchmal schien es ihm, als existierten in seinem Kopf zwei verschiedene Janices. Die Janice aus jenen frühen Tagen, warmherzig, umgänglich und immer auf seiner Seite, immer bereit, ihn zu unterstützen. An

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