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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Mc Dowall
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WLAN-Netz des Hotels ein paar Dinge erledigen und dann erst mal nichts tun. Vielleicht in den Fitnessraum gehen oder einen weiteren Spaziergang unternehmen, immer am See entlang. Er musste nachdenken, und dafür war Zürich ein erstklassiger Ort. Einstein, James Joyce und der irre Carl Gustav Jung, um nur einige zu nennen – sie alle wurden mit dieser Stadt in Verbindung gebracht. Selbst Lenin hatte hier nachgedacht (und geschrieben), wenn er auch nicht im »Baur Au Lac« genächtigt hatte, sondern durchaus gut gelaunt zur Untermiete in eine der Altstadtgassen gezogen war. Um die Reise möglichst geschäftsbedingt erscheinen zu lassen, hatte Nigel Andy, seinen Fahrer, im »Möwenpick-Hotel« draußen am Flughafen untergebracht und ihm einen Tag freigegeben. Er sollte sich lediglich um einen Mietwagen kümmern für den Fall, dass sie einen brauchten. Am besten setzte er sich gleich in ein Café und rief Andy an oder simste ihm, um sicherzustellen, dass sie beide auf dem neuesten Stand waren.
    »Schadensbegrenzung«. Er sagte das Wort leise vor sich hin, kaum hörbar, und zwang seine Gedanken, sich mit dem Thema zu befassen. Dass es zu einem Schaden kommen würde, war nicht zu vermeiden. Find dich damit ab. Die Frage war nur, wie hoch der Schaden ausfiel, wie ernst. Das Geschäftsmodell von Copeland Insight war eher schlicht. Kauf dich in ein Unternehmen ein, das Probleme hat, richte es neu aus, streich einen Teil des Gewinns ein, und verkauf deine Anteile wieder, sobald der Preis stimmt. Es war ein Modell, das sich auf seinen Geschäftssinn und sein Gespür für den Markt stützte, vor allem aber auf seinen Ruf, zu intelligenten und raffinierten Entscheidungen in der Lage zu sein . Lange bevor das Internet und andere Hilfsmittel dem modernen investigativen Journalismus aufgeholfen hatten, waren ein paar Medien auf die Verbindung zwischen Nigel Copeland, dem Kleindarsteller im Morddrama Claire Oldham, und dem Geschäftsguru gleichen Namens gestoßen. Er hatte noch sicher in Untersuchungshaft gesessen, als Claire ermordet worden war, aber seine Beziehung zu ihr war in Martins Prozess deutlich zur Sprache gekommen. Er hatte eine Aussage machen müssen, wenn auch nicht im Zeugenstand. Aber das war nicht das Problem.
    Er war nicht der einzige reich gewordene Erfolgsmensch, der in seiner Jugend für die Revolution eingetreten war. Keinesfalls. Nein, Wirtschaftsseiten und Anteilseigner interessierten sich kaum noch für diese Dinge. Myrtle Cottage und seine Geschichte waren nicht das Problem, der vergangene Montagabend war es. Am Ende konnte er sogar selbst verdächtigt werden . Das würde dem Namen Copeland in dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase gefährlich negative Publicity verschaffen. Der Montagabend war seiner Auffassung nach reines Pech gewesen. Schlechtes Timing. Nach außen, in den Augen seiner Rivalen, musste sein Besuch bei Martin wie eine Fehlentscheidung wirken, und außer seinem Ruf, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, hatte er nichts vorzuweisen. Da war er nackt, ein Händler ohne Angebot.
    Er wechselte die Richtung und bog in eine Seitenstraße ein, die ihn (wenn er sich recht erinnerte) in die Nähe des Fraumünsters bringen würde, zu einem kleinen italienischen Lokal, das er mochte. Da wollte er seinen Kaffee trinken und zu Andy im »Möwenpick« Kontakt auf nehmen. Er würde ihn anrufen. Unter den gegebenen Umständen erschien es ihm dumm, sich auf ein paar geschriebene Worte zu verlassen .

29
    Martin Grove.doc
    Claire hatte einen Wasserkessel in ihrem Zimmer, wie ich am nächsten Morgen feststellte. Und Teebeutel. Und einen Karton frische Milch. Ich war vor ihr aufgewacht und staunte andächtig darüber, sie so schlafen zu sehen, neben ihr zu liegen, ihren Atem zu hören und seine Wärme im Gesicht zu spüren, als sie sich verschlafen zu mir hindrehte. Im Dämmerlicht schliefen wir wieder miteinander. Zweimal. Ich war jung und unbeholfen, aber voller Verlangen, und vielleicht war es genau dieses Verlangen, das sie mochte. Ich war wie ein Welpe, unkompliziert und so einfach glücklich zu machen. Später saßen wir unter ihrer Decke, jeder mit einer Tasse Tee, den ich gekocht hatte, ganz extravagant, mit einem Beutel pro Tasse, und erzählten einander kleine Schnipsel aus unserer Kindheit und Jugend. Es war ein Gespräch, das wir da schon seit Wochen führten, vor und zurück. Über mich in Woodlands und Crowby, über Claire unten in Sussex, im Internat und an der Uni. Sie hatte etwas

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