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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho
Autoren: Colin Dexter
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jedoch pünktlich und, wenn auch nicht gerade schnell, so auch nicht allzu langsam und vor allem akkurat und sorgfältig.
    Außerdem angelte er.
    Jackson trank nur selten Alkohol, doch an diesem Abend hielt er, während er im dunklen Zimmer am Fenster stand, einen schmierigen Stumpen in der Hand, und auf einem niedrigen Schränkchen befand sich in Reichweite eine Flasche Teacher’s Whisky. Von seinem Fensterplatz aus hatte er das Eintreffen der Polizei beobachtet: Zuerst zwei Polizisten, dann ein Mann mit einer Tasche, vermutlich der Arzt, kurz darauf zwei weitere Beamte und schließlich ein Mann in mittleren Jahren, das Haar vom Wind zerzaust, der wohl ebenfalls zur Polizei gehören mußte, denn man hatte ihn ohne weiteres eingelassen. Jackson erkannte ihn sofort wieder; er war am Nachmittag schon einmal dagewesen. Jackson wußte nicht recht, was er davon halten sollte … Der Mann war nicht lange geblieben. Dann waren Krankenträger mit einer Bahre gekommen, um sie abzuholen, und drüben im Haus hatte es Bewegung gegeben; immer wieder war im oberen Stockwerk das Licht angegangen, bis es irgendwann dann doch endgültig dunkel geworden war. Und noch immer verharrte er auf seinem Beobachtungsposten, ab und zu an seinem Whisky nippend. Doch er hatte viel weniger Furcht und fühlte sich wesentlich entspannter, als er es noch vor ein paar Stunden für möglich gehalten hätte. Hatte ihn jemand gesehen? Das war seine große Sorge gewesen. Aber nun war es ihm schon fast egal, denn inzwischen hatte er sich eine hübsche kleine Lüge zurechtgelegt, so daß sie ihm nichts anhaben konnten.
    Es war weit nach Mitternacht, als die letzten Beamten das Haus drüben verließen. Jackson hatte die ganze Zeit über seinen Platz am Fenster nicht verlassen. Die Whiskyflasche war längst leer, doch er vermißte nichts. Er hatte wichtige Entscheidungen zu treffen und nahm die einsame Wache als Gelegenheit, sich die Dinge auf seine langsame Art gründlich zu überlegen. Irgendwann merkte er, daß er Hunger hatte. In der Küche unten lag noch der Fisch, den er gestern gefangen hatte. Doch als er einige Zeit später einsah, daß vor dem Morgen drüben nichts mehr passieren würde und er seinen Beobachtungsposten jetzt also ruhig aufgeben konnte, war der Hunger plötzlich nicht mehr so wichtig. Er zog die fadenscheinigen Übergardinen vor, dann beugte er sich unter sein Bett, streckte den Arm aus und zog einen Stapel Pornohefte hervor. Beim zweitenmal mußte er den Arm noch weiter nach hinten schieben. Dann hielt er in der Hand, wonach er gesucht hatte, und auf seinem Gesicht erschien ein hämisches Grinsen.
     
    Etliche Stunden früher und einige Zeit bevor ein anonymer Anrufer dem Polizeirevier in der St. Aldate’s Street Anne Scotts Selbstmord melden sollte, saß Mrs Celia Richards in ihrem luxuriösen Bungalow etwas außerhalb von Abingdon und wartete auf die Rückkehr ihres Mannes. Endlich hörte sie das vertraute Geräusch von knirschendem Kies: ihr Mann fuhr die Einfahrt zur Garage hoch. Sie atmete erleichtert auf. Er kam später als gewöhnlich, das geschmorte Hühnchen war schon lange fertig.
    »Hallo, mein Schatz. Tut mir leid, daß es so spät geworden ist. Sei froh, daß du hier im Warmen sitzen konntest. Das Wetter draußen ist ekelhaft!«
    »Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt, daß du heute abend …«
    »Du weißt, daß ich das nicht immer so vorhersehen kann, und ich habe auch schon gesagt, daß es mir leid tut, oder?« Er setzte sich ihr gegenüber, griff in seine Jackentasche und holte eine Packung Zigaretten heraus.
    »Du willst doch nicht etwa so kurz vor dem Essen noch rauchen?«
    »Hast ja recht«, sagte er und schob die Zigarette in die Schachtel zurück. »Aber dann können wir wenigstens vorher noch etwas trinken.« Er stand auf. »Was willst du haben? Einen Gin, wie immer?«
    Celia merkte, wie die Anspannung allmählich von ihr wich. Es war schön, daß er wieder bei ihr war. Doch jetzt meldete sich gleich wieder ihr schlechtes Gewissen – sie hatte sich, um die Angst zu betäuben, die sie jedesmal spürte, wenn er sie warten ließ, in der letzten Stunde bereits zwei große Gläser Gin genehmigt. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, erhob sie sich und sagte hastig: »Nein, du setzt dich jetzt wieder hin und rauchst deine Zigarette. Ich mach uns die Drinks.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, holte einen Whisky für ihn und für sich noch einen Gin.
    »War Conrad heute da?«
    Richards sah müde aus und schien
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