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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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gekostet hätte.«
    »Das heißt, sein persönlicher Hintergrund hat Sie nicht weiter gekümmert – die Gefahr, dass er Sie über den Tisch ziehen könnte?«, fragte Falcón. »Wie haben Sie sich kennen gelernt?«
    »Er kam eines Tages von der Straße in meine Kanzlei. Wahrscheinlich kennen Sie diese Regel des freien Wirtschaftslebens nicht, Inspector Jefe, aber man muss etwas riskieren. Wenn Sie in allem Gewissheit wollen, eröffnen Sie keine Kanzlei… Sie arbeiten für den Staat.«
    »Hatte er einen Akzent?«, fragte Falcón, ohne die kleine Stichelei zu beachten.
    »Er sprach Spanisch mit andalusischem Akzent, aber es klang nicht so, als wäre er hier geboren. Er war im Ausland gewesen. Ich weiß, dass er zum Beispiel Englisch mit amerikanischem Akzent sprach.«
    »Und Sie haben ihn nicht danach gefragt?«, wollte Falcón wissen. »Nicht im Kreuzverhör, sondern bei einem Mittagessen oder Bier, meine ich.«
    »Ich wollte bloß das Mandat des Mannes, Inspector Jefe, ich wollte ihn nicht heiraten.«
    Der Médico Forense steckte den Kopf in den Raum und erklärte, dass er jetzt nach oben gehen würde, um Señora Vegas Leiche zu untersuchen. Calderón begleitete ihn.
    »War Señor Vega verheiratet, als Sie ihn kennen gelernt haben?«, fragte Falcón.
    »Nein, nicht mehr«, sagte Vázquez. »Allerdings gab es keine Unterlagen über eine Scheidung, vielmehr hat er meiner Erinnerung nach den Totenschein einer vorherigen Ehefrau präsentiert. Danach müssen Sie Lucías Eltern fragen.«
    »Wann hat er geheiratet?«
    »Vor acht bis zehn Jahren.«
    »Waren Sie zur Hochzeit eingeladen?«
    »Ich war sein testigo, sein Trauzeuge.«
    »In jeder Hinsicht eine Vertrauensperson«, sagte Falcón.
    »Was halten Sie von dem Hobby meines Mandanten?«, fragte Vázquez in dem Bemühen, die Befragung wieder an sich zu ziehen.
    »Seine Eltern wurden ›getötet‹. Sein Vater war Metzger«, sagte Falcón. »Vielleicht war es eine Art, die Erinnerung wach zu halten.«
    »Ich glaube nicht, dass er seinen Vater so sehr mochte.«
    »Er hat Ihnen also doch Privates offenbart?«
    »Im Laufe der letzten… fast zwanzig Jahre habe ich kleine Informationsfetzen gesammelt. Zum Beispiel, dass sein Vater streng und hart zu seinem einzigen Sohn war. Er hat ihn zur Strafe nur mit einem Hemd bekleidet im Kühlraum arbeiten lassen. Rafael litt unter Arthrose in den Schultern, für die er die Torturen seiner Kindheit verantwortlich machte.«
    »Vielleicht gab ihm die Schlachterei ein Gefühl von Kontrolle. Nicht nur, weil er gut darin war, sondern weil er dadurch etwas Großes, nur schwer zu Bewältigendes in kleine verbrauchsfertige Stücke zerteilte«, sagte Falcón. »Und das ist ja im Grunde auch die Arbeit eines Bauunternehmers. Er nimmt den riesigen und komplexen Entwurf eines Architekten und zerlegt ihn in eine Reihe zu erledigender Aufgaben mit Stahl, Beton, Steinen und Mörtel.«
    »Ich glaube, die wenigen Menschen, die von seinem Hobby wussten, fanden es… unheimlich.«
    »Die Vorstellung, dass ein urbaner Geschäftsmann die Wirbelsäule eines toten Tieres durchhackt?«, fragte Falcón. »Nun, das hat schon etwas Brutales.«
    »Viele Menschen, die mit Señor Vega zu tun hatten, glaubten , ihn zu kennen«, sagte Vázquez. »Er begriff, wie Leute ticken, und hatte gelernt, seinen Charme einzusetzen. Er hatte ein Gespür für Stärken und Schwächen. Er gab Männern das Gefühl, interessant und mächtig zu sein, während sich die Frauen in seiner Gesellschaft rätselhaft und schön fühlten. Es war schockierend zu beobachten, wie gut es funktionierte. Mir ist vor einiger Zeit plötzlich aufgefallen, dass ich ihn überhaupt nicht kannte, was bedeutet, dass er mir zwar vertraute, aber nur in geschäftlichen Dingen, nicht was sein Privatleben betraf.«
    »Sie waren sein Trauzeuge, das geht doch über eine rein geschäftliche Beziehung hinaus.«
    »Seine Beziehung zu Lucía beziehungsweise zu ihrer Familie hatte durchaus auch geschäftliche Aspekte.«
    »Sie besaßen Land?«, fragte Falcón.
    »Er hat sie zu sehr wohlhabenden Leuten gemacht«, bestätigte Vázquez nickend.
    »Weshalb sie nicht übermäßig neugierig waren, was seine mysteriöse Vergangenheit betraf?«
    »Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es nicht unbedingt auf eine engere persönliche Beziehung schließen lässt, sein Trauzeuge gewesen zu sein…«
    »Enger als welche Beziehung? Als die zu seiner Frau?«
    »Ich bin sicher, Sie werden mit Lucías Eltern sprechen«, erwiderte

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