Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
wirken nicht mehr so angespannt«, sagte sie.
»O doch. Ich habe bloß begriffen, dass die Menschen es nicht mögen, also verstecke ich es. Ich habe gelernt, immer zu lächeln.«
»Ich hatte eine Freundin, deren Mutter ihr den Rat gegeben hat: ›Immer weiter, immer lächeln.‹ Und es funktioniert«, sagte Consuelo. »Wir leben in oberflächlichen Zeiten, Javier. Wann hatten Sie zum letzten Mal eine ernsthafte Unterhaltung?«
»Ich führe ständig ernste Gespräche.«
»Außer mit sich selbst, meine ich.«
»Ich gehe seit einiger Zeit zu einer Psychologin.«
»Selbstverständlich, nach allem, was Sie durchgemacht haben«, sagte sie. »Aber das ist keine Unterhaltung, oder?«
»Wohl kaum«, sagte er. »Manchmal kommt es mir vor wie eine absurde Selbstbespiegelung, manchmal wie Kotzen.«
Sie nahm die Schachtel Zigaretten vom Tisch, zündete eine an und sank zufrieden zurück aufs Sofa.
»Ich bin sauer auf Sie«, sagte sie und wies mit der brennenden Zigarette auf ihn. »Sie haben mich nicht angerufen, dabei wollten wir essen gehen… Erinnern Sie sich?«
»Sie sind umgezogen.«
»Soll das heißen, Sie haben es probiert?«
»Ich war sehr beschäftigt«, sagte er lächelnd.
»Lächeln funktioniert bei mir nicht«, sagte sie. »Ich weiß, was es bedeutet. Sie müssen schon ein paar neue Strategien entwickeln.«
»In letzter Zeit ist mir alles ein bisschen über den Kopf gewachsen«, sagte er.
»In der Therapie?«
»Ja, zum einen das, und dann habe ich juristische Auseinandersetzungen mit meiner Schwester Manuela. Meiner Halbschwester.«
»Sie ist die Gewinnsüchtige, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Sie haben den ganzen Skandal verfolgt?«
»Man hätte im Koma liegen müssen, um ihm zu entgehen«, sagte sie. »Und was will Manuela?«
»Geld. Sie wollte, dass ich ein Buch über mein Leben mit Francisco schreibe, einschließlich sämtlicher Tagebücher, und eine persönliche Schilderung des Mordfalls, der alles ans Licht gebracht hat. Genauer gesagt wollte sie, dass ich mit ihrem Freund, einem Journalisten, zusammenarbeite, der als mein Ghostwriter fungieren sollte. Ich habe mich geweigert. Sie ist wütend geworden. Jetzt will sie den Beweis erbringen, dass ich nicht Francisco Falcóns rechtmäßiger Erbe bin, da ich nicht sein Sohn bin… So läuft das halt.«
»Sie müssen sich wehren.«
»Sie denkt völlig anders, so wie Francisco, was vermutlich der Grund dafür ist, dass er sie nie leiden konnte«, sagte Falcón. »Sie manipuliert die Menschen, ist eine PR-Expertin, was in Kombination mit ihrer Energie, ihrem Ehrgeiz und ihrer Brieftasche tödlich ist.«
»Ich lade Sie ein.«
»So schlimm ist es auch wieder nicht. Es kommt nur im Moment einiges zusammen.«
»Was Sie brauchen, ist ein wenig Ablenkung, Javier«, sagte sie. »Ist Ihr Bruder, der Stierzüchter, Ihnen irgendeine Hilfe?«
»Wir verstehen uns gut. Daran hat sich nichts geändert, aber solche Sachen sind nicht seine Stärke. Außerdem braucht er Manuela. Sie ist seine Tierärztin. Ein Wort an die Behörden über einen BSE-Verdacht in seiner Herde, und er wäre erledigt.«
»Sie wirken bemerkenswert normal.«
»Danke«, sagte er und beschloss, ihr lieber nicht zu sagen, dass das wahrscheinlich an den Tabletten lag.
»Aber nachdem ich es eben abgetan habe, denke ich jetzt, dass Sie tatsächlich ein wenig oberflächlichen Spaß brauchen.«
Schweigen. Falcón tippte auf sein Notizbuch, und die traurige Unvermeidlichkeit, die sie mit einem Zug an ihrer Zigarette zu vertreiben suchte, ließ ihre Lippen schmaler werden.
»Fragen Sie los, Inspector Jefe«, sagte sie mit einer auffordernden Geste.
»Sie dürfen mich immer noch Javier nennen.«
»Nun, Javier, ein paar Dinge haben Sie zumindest gelernt.«
»Zum Beispiel?«
»Jemanden aufzulockern… oder genauer gesagt, einen Verdächtigen in ein Verhör zu locken.«
»Glauben Sie, dass Sie eine Verdächtige sind?«, fragte er.
»Ich wäre es gern, damit wir unsere alte zwischenmenschliche Dynamik wieder beleben können«, gab sie trocken zurück.
»Und woher wissen Sie, dass es ein Mord war?«
»Warum sind Sie hier, Javier?«
»Ich ermittle in jedem Fall eines nicht natürlichen Todes.«
»Hatte Rafael einen Herzinfarkt?«
Falcón schüttelte den Kopf.
»Dann war es also Mord.«
»Oder ein Selbstmordpakt.«
»Ein Pakt?«, fragte sie und drückte ihre Zigarette aus. »Was für ein Pakt?«
»Wir haben im ersten Stock Señora Vega gefunden, erstickt mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher