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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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einmal zuckte die Wange. Sein Kopf bohrte sich tiefer in den Sand.
    Er lebte.
    Sie wagte es kaum, die Hand auszustrecken, um das Trugbild nicht zu zerstören. Vielleicht hörte er auch auf zu atmen, wenn sie ihn berührte, vielleicht verschwand er ganz …
    Kein Kettenhemd mehr zu tragen war Gérards Glück gewesen. Es hätte ihn auf den Grund des Meeres gezogen und niemals wieder hergegeben. Das Gambeson hingegen hatte ihn gegen die harten Wellen und umherschwimmenden Hindernisse wie ein Kettenhemd geschützt, wo andere getroffen und zerschlagen worden waren. Man würde das Gambeson sogar flicken können. Zärtlich glitt ihre Hand über die zerfetzten Stofflappen. Sie spürte jetzt deutlich, dass er atmete.
    Er lebte.

    Mit zartem Finger wischte sie ihm Sand von den Wangen, damit der sich nicht in seine Augen verirrte, wenn er erwachte. Wenn er erwachte. Vielleicht schlief er auch ein für immer, aus Erschöpfung oder weil Gott nicht herausgefordert werden mochte. Beinah alle hatten im Sturm den Tod gefunden - wieso also nicht dieser Mann?
    Nein, er lebte, und er atmete ganz ruhig, weil nicht der Tod ihn geholt hatte, sondern der Schlaf, und weil Gott sich gnädig zeigte.
    Ima trank durstig von seinem Antlitz. Sie ließ ihren Blick noch einmal über die markanten Brauen gleiten, herunter zu den schwarzen Wimpern und über die Wangen, ihr Blick liebkoste die Lippen, die durch den dichten, ungepflegten Bart nur schüchtern hindurchschimmerten, von denen sie aber genau wusste, wie sie aussahen und welchen Schwung in die Höhe sie nahmen, wenn er sein strahlendes Lächeln zeigte.
    Er schlief nur.
    Ima kniete sich neben ihn und faltete die Hände zum Gebet. Das tägliche Gebet hatte sie vor langem aufgegeben, weil Gott ja doch stets anderweitig zu tun hatte. Doch dieses Mal, dieses eine Mal hatte Er nach ihr geschaut und ihr etwas geschenkt. Ein Dankgebet fiel ihr in der Erschöpfung nicht ein. Aber der Lieblingspsalm des Vaters, der passte immer und den hatte auch der Wind im Sinn, als er sie leise singend begleitete.
    »Dominus pascit me, et nihil mihi deerit: in pascuis virentibus me collocavit, super aquas quietis eduxit me. Animam meam refecit. Deduxit me super semitas iustitiae propter nomen suum. Nam et si ambulavero in valle umbrae mortis, non timebo mala, quoniam tu mecum es …«
    Und dann gab es nichts mehr zu tun. Sie zog sich die Kapuze über den Kopf, um sich gegen die Sonne zu schützen, und legte sich neben ihn, so dicht es ging und doch weit
genug, um seinen Schlaf nicht zu stören. Bohemunds Mantel breitete sie über sich, zog die Knie wie ein Kind an den Leib - und schlief augenblicklich ein.
    Die weiße Binde des Herzogs flatterte leise im Wind, als wollte sie daran erinnern, dass nicht mehr viel Zeit blieb, den Toten beizusetzen.
     
    Sie war es auch, welche Gérard weckte, irgendwann am Nachmittag, als die Sonne schon tiefer stand und im Schatten der Pinien empfindlich kühler Wind über den Sand fegte. Möwen schrien empört über seinem Kopf - ihre Schreie kamen ihm seltsam nah vor. Er mochte keine Möwen, daran erinnerte er sich. Aber sonst … nicht viel. Müde war er. So müde. Es kostete Mühe, die Augen zu öffnen, und er musste heftig zwinkern, weil ihm Sand unter das Lid geriet - oder weil er nicht allein war?
    Zuerst erkannte er nicht, wer da, in einen düsteren Umhang gewickelt, vor ihm lag, unhöflich dicht und wie ein Kind zusammengerollt. Er runzelte die Stirn, wollte schon einen zotigen Spruch darüber ablassen, was Weiber am Strand zu suchen hatten und wer sie im Mantel denn wohl anschauen wollte - doch die Strähne kam ihm bekannt vor. Und dann lief ihm das Herz über, trieb ihm Tränen aus den Augen, ließ sie in zwei dunklen Spuren über die Wangen rollen und in den dichten Bart tropfen, wo sie sicher aufgehoben waren.
    Er hatte nichts mehr erwartet in jenem schrecklichen Moment, als die Wellen über ihm zusammenschlugen und er Ima aus den Augen verlor. Er hatte sich an das Brett mit der Leiche geklammert und nichts mehr gedacht, aus Furcht, der Ekel könnte ihn dazu bringen loszulassen. So waren sie gemeinsam durch den Sturm getrieben - er und sein toter Herzog, und ein allerletztes Mal hatte Robert Guiscard einen seiner Männer aus tiefster Not gerettet …

    Er hatte nichts mehr vom Leben erwartet, und nun lag er hier am Strand und lebte. Atmete, Sand und Wind waren Wirklichkeit, und sie schlief neben ihm - einfach so. Lange betrachtete er ihr erschöpftes Gesicht, das halb

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