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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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mit gezogener Waffe auf sie zugerannt. »Plünderer - Halunken! Hängen sollt ihr dafür, na wartet …«
    Gérard zog sein Schwert und sprang vor die Bahre, keinen Moment zu früh. Die Klingen kreuzte sich, doch sein Hieb hatte mehr Kraft, und der Mann stolperte von der Wucht rückwärts. »Törichter Narr! Ihr würdet Eurem Herzog Ehre erweisen, wenn Ihr mich nicht tötet, sondern uns nach Otranto folgt, damit er endlich Frieden finden kann«, rief er laut, und sein loses Hemd flatterte wild im Wind. Der Mann stürzte in den Sand, vielleicht hatte auch der Geruch ihn zu Fall gebracht. Mit großen Augen beglotzte er die Totenbahre, gleich darauf schob er sein Schwert in den Gürtel und verbeugte sich ehrfürchtig. Und er war nicht der Einzige. Immer mehr Männer kamen auf sie zugelaufen, knieten vor der Bahre nieder, weinten vor Ergriffenheit und folgten ihnen dann.
    Als sie das Zelt der Herzogin erreichten, hatte sich ihnen ein ganzer Schwarm Menschen angeschlossen. Gérard fühlte so etwas wie Stolz darüber, dass ausgerechnet er, der ungeliebte, verhöhnte Bastard, die Gruppe anführte und die Bahre Robert Guiscards trug. Er schalt sich sofort für diesen Hochmut und gelobte Buße und Besserung - trotzdem fühlte es sich gut an. Verdammt gut. Das Ende einer furchtbaren Schlacht. Der Herzog war endlich zu Hause angekommen.
     
    Sicaildis klammerte sich an den Zeltpfosten. Für einen Moment hatte es den Anschein, als ob sie zusammenbrechen würde - vor dem Anblick, vor dem Geruch, oder allein vor der Tatsache, dass ihr toter Gatte tatsächlich doch noch gefunden worden war, obwohl man die Hoffnung darauf bereits aufgegeben hatte. Ihr Gesicht war beim Anblick der Bahre blass geworden, und ein paar Flecken auf den Wangen schimmerten unnatürlich rot. Am Hals sah man die
dicke Ader pochen, auch hier breiteten sich die verräterischen Flecken aus. Als sie den Zeltpfosten dann doch losließ, um ein paar Schritte auf die Bahre zuzugehen, zitterte ihre Hand, und sie schwankte. Ein Diener wollte ihr zu Hilfe eilen, doch sie wehrte ihn ab und traf dabei mit spitzen Fingernägeln seine Wange, dass er vor Schmerz zusammenzuckte. So legte er nur die Seidendecke um ihre Schultern - das ließ sie geschehen - und drapierte sie mit einem unauffälligen Zug um ihr Kleid herum nach vorn. Sicaildis wusste wie keine andere um Wirkungen, schoss es Gérard durch den Kopf.
    » Ma dame …« Er hatte es sich nicht nehmen lassen, die Bahre trotz des Geruchs bis vor das Zelt zu schleifen. Die Herablassung, mit der sie ihn zu behandeln pflegte und auf Kephalonia zurückgewiesen hatte, verlangte nach einer Antwort, auch wenn ihm das in keiner Weise zustand. Er war sich bewusst, dass Gott ihn auch für diese Anmaßung strafen würde. » Ma dame , hier bringe ich Euren Gatten. Gott der Allmächtige hat ihn sicher an den Strand geleitet.«
    Ein Raunen folgte diesen knappen Worten. Er verzichtete darauf zu erzählen, dass die Totenbahre in Wirklichkeit seine eigene Rettung gewesen war und dass ihm die Stunden, die er auf der verdammten Leiche zugebracht hatte, noch lange nächtliche Alpträume bescheren würden. Niemanden hier interessierte, wie er es geschafft hatte zu überleben. Man schob ihn daher auch zur Seite und trat um die Bahre herum, unentschlossen, was damit nun weiter zu geschehen habe. Immer mehr Männer verloren darüber ihre Tapferkeit, die ersten stolperten würgend ins Gebüsch. Der Priester kam aus dem Zelthintergrund hervorgeschlichen. Er tat das einzig Richtige: Er schwenkte sein silbernes Räuchergefäß und rang den sich ausbreitenden Gestank mit dicken Weihrauchschwaden nieder.

    Die Herzogin blickte auf die Bahre herab. Ihre Hand, mit der sie sich ein Tuch vors Gesicht hielt, zitterte immer stärker.
    »Wir werden sofort alles veranlassen, ma dame «, stotterte der Kommandant. »Begleitet mich, ma dame , an einen angenehmeren Ort; in der Festung von Otranto wird man alles tun, um …«
    »Ich bleibe«, kam es hinter dem Tuch hervor. »Ich bleibe.«
    Ihr Wort galt. Sicaildis von Salerno war einst einer flüchtenden Armee hinterhergeritten und hatte sie in den Kampf zurückgeholt, sie würde auch diesen grausigen Kampf zu Ende führen. Die Männer neigten ehrfürchtig ihre Köpfe vor der alten Dame.
    Und so war ihre nächste Handlung auch nichts als bitterste Konsequenz, deren Tragweite jedoch nur Ima begriff. Die Herzogin zog nämlich zum Entsetzen aller den blauen Mantel von der Leiche und schleuderte ihn auf den Boden.

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