Die Totengräberin - Roman
Dame.
»Was?« Magda verschluckte sich fast. Ihre gespielte Erregung wirkte echt. »Ich dachte, es fährt jede Stunde ein Zug nach Rom! Um acht Uhr fünfzehn, um neun Uhr fünfzehn, um zehn Uhr fünfzehn …«
»Um zehn Uhr fünfzehn nicht. Erst wieder um elf Uhr fünfzehn.«
»Was ist denn das für ein Blödsinn?«
Die Frau zuckte nur die Achseln. Niemals würde sie als Bahnangestellte zugeben, dass der Fahrplan der Bahn unlogisch war.
»Hören Sie«, fuhr Magda fort, »das Ticket ist nicht für mich, sondern für meinen Mann. Er ist draußen und parkt den Wagen. Es ist furchtbar wichtig, dass er pünktlich nach Rom kommt, weil er Termine hat. Deswegen ist er ja auch nicht mit dem Wagen gefahren.«
»Ich kann es nicht ändern«, meinte die Frau hinter dem
Schalter und seufzte vernehmlich, was signalisierte, dass ihr die Kundin langsam auf die Nerven ging.
»Gibt es eine andere Möglichkeit?« Magda trat von einem Bein auf das andere und rang die Hände, was die Bahnangestellte als Gezappel interpretieren musste.
»Vielleicht einen anderen Zug, der früher in Rom ankommt, aber bei dem man umsteigen muss? Irgendetwas muss doch möglich sein!«
»Mi scusi, Signora, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Um elf Uhr fünfzehn. Früher nicht. Vielleicht versuchen Sie es ja mit dem Auto.« Damit wandte sie sich ab und signalisierte, dass die Unterhaltung für sie beendet war.
»In Italien funktioniert nichts. Aber auch gar nichts«, keifte Magda noch im Hinausgehen und war sich ziemlich sicher, dass die Ticketverkäuferin sie in Erinnerung behalten würde. Denn auch wenn sie derselben Meinung war, von einer Ausländerin - Magda sprach mit deutlich deutschem Akzent - ließ sie sich nicht das eigene Nest beschmutzen.
Magda war mit ihrem Auftritt äußerst zufrieden, setzte sich ins Auto und fuhr nach Hause.
11
Wie immer waren dienstags auf dem Markt in Ambra fünfzehn unterschiedliche Stände aufgebaut: mit Obst und Gemüse, Fisch, gebratenen Hähnchen, Porchetta und Wurstwaren, mit Süßigkeiten, Schuhen, Damenoberbekleidung, Tischdecken und Bettwäsche, mit Hosen, Westen, Strümpfen, Pullovern und mit Unterwäsche, Nachthemden, Kitteln.
Magda wollte unbedingt etwas kaufen. Am Obststand erstand sie einen Salatkopf, zwei Knollen Knoblauch, ein Kilo Karotten und eine Ananas. Am Schuhstand kaufte sie ein paar windige Sandalen für fünfzehn Euro, denen deutlich anzusehen war, dass die zarten Riemen nach fünfmaligem Tragen reißen würden. Und schließlich fragte sie am Unterwäschestand nach einem leichten, sommerlichen Schlafanzug für ihren Mann.
»Welche Größe hat denn Ihr Mann?«, fragte die Verkäuferin.
»Keine Ahnung. Er ist ungefähr zwanzig Zentimeter größer als ich und schlank.«
Die Verkäuferin hörte schon gar nicht mehr hin, kramte in ihren Kisten, zog von ganz unten einen in Zellophan verpackten Schlafanzug hervor und hielt ihn Magda unter die Nase.
»Zehn Euro«, sagte sie. »Wenn er nicht passt, können Sie ihn nächste Woche umtauschen.«
Der Schlafanzug war kreuzhässlich. Grün-gelb kariert mit blauen Streifen. Eine unmögliche Kombination.
Magda zögerte.
»Mag Ihr Mann Frottee?«, fragte die Verkäuferin. »In Frottee haben wir größere Auswahl. Für acht Euro.«
Magda kaufte zwei Frotteeschlafanzüge: einen blauen mit dunkelrotem Absatz am Hals und an den Schultern und einen olivgrünen mit braunen Taschen. Beide zusammen für fünfzehn Euro.
Anschließend setzte sie sich in die Bar und bestellte einen Cappuccino und ein Acqua minerale gassata. Das Schälchen mit den Erdnüssen, das auf dem Tresen stand, nahm sie mit hinaus an einen Tisch unter einen weißen Sonnenschirm auf der Piazza.
Während sie langsam und genüsslich ihren Cappuccino nicht trank, sondern löffelte, grüßte sie die vorbeikommende Zeitungsverkäuferin, den Friseur und den alten Lehrer, der schon lange pensioniert war und den alle mit »Maestro« anredeten.
»Buongiorno, Maddalena«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Magda drehte sich um, und vor ihr stand Katharina Tassi, eine gute Bekannte, mit der sie immer gern ein paar Worte wechselte.
»Buongiorno, Katharina! Setz dich doch einen Moment!«
Katharina zog einen Stuhl heran. »Monica hat mir erzählt, dass ihr wieder im Lande seid. Und ich dachte, mal sehn, ob ich dich auf dem Markt treffe. Wie geht’s dir?«
»Gut. Sehr gut. Und dir?«
»Alles bestens.«
Es war also so, wie sie vermutet hatte. In Ambra wusste man, dass die
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