Die Totengräberin - Roman
Tillmanns wieder auf La Roccia waren. Okay, dachte Magda, dann spielen wir das Spiel. Geht ja nicht anders. Und Katharina wird mir dabei helfen.
»Was macht Johannes?«
»Ihm geht’s sehr gut. Er ist am Sonntag für einige Tage zu einem Freund nach Rom gefahren. Aber am Wochenende ist er wieder hier.«
»Wann seid ihr denn angekommen?«
»Vor drei Tagen. Unser Urlaub fängt also gerade erst an.«
»Wie schön. Dann können wir uns ja irgendwann mal treffen?«
»Na klar«, antwortete Magda freundlich.
Katharina war fünfundsechzig, lebte seit dem Tod ihres Mannes vor zwanzig Jahren völlig allein in einem riesigen Haus mit einer ebenso riesigen, aber lammfrommen Dogge. Jeden Nachmittag machte sie mit »Attila« einen zweistündigen Spaziergang, ganz egal, ob die Fliegen wegen der Hitze von der Wand fielen oder ob es Stein und Bein fror. Katharina lebte ihren eigenen geregelten Tagesablauf, ließ sich in ihren Ritualen von niemandem stören, tat nur das, was sie wollte, und war glücklich dabei. Die Witwenrente ihres Mannes genügte ihr und ihrem Hund zum Leben, ansonsten malte sie Aquarelle und verkaufte hin und wieder ein Bild an Gäste, die sich in ihrer kleinen Ferienwohnung im Parterre ihres Hauses eingemietet hatten.
Es war leicht, sich mit Katharina zu unterhalten, sie sprach ebenso gut Deutsch wie Italienisch. Magda hatte sie nie gefragt, ob sie eigentlich Deutsche oder Italienerin war.
Katharina ging in die Bar und holte sich einen Espresso. Als sie wiederkam, fragte Magda: »Hast du inzwischen eigentlich ein Auto?«
Katharina schüttelte den Kopf. »Nein. Der Fiat, den mir Luigi angeboten hat, war mir dann doch zu teuer. Und ich glaube auch nicht, dass ich mir jetzt noch eins anschaffen werde. Es geht ja auch ohne. Ich komme jedenfalls gut zurecht.«
»Am Freitagnachmittag fahre ich nach Montevarchi und hole Johannes vom Bahnhof ab. Willst du mitkommen? Dann können wir vorher noch kurz zu Ipercoop.«
Katharina überlegte nicht lange. Sie war darauf angewiesen, dass sie jemand im Auto mitnahm, wenn sie größere Besorgungen zu erledigen hatte. »Natürlich! Gerne! Das ist lieb von dir.« Sie stand auf. »Wann holst du mich dann am Freitag ab?«
»Warte mal … Johannes kommt um achtzehn Uhr fünfundzwanzig in Montevarchi an. Wenn ich dich um vier abhole, haben wir genügend Zeit zum Einkaufen und können auch noch gemütlich einen Kaffee trinken gehen.«
»Va bene. Mi piace. Danke, Magda. Na, dann bis Freitag.«
Während Katharina auf ihre kleine Vespa stieg und ihren Helm aufsetzte, überlegte sie, dass Magda wirklich ausgesprochen nett war. Das war ihr bisher noch nicht aufgefallen. Sonst war sie ihr immer eher kühl und zurückhaltend erschienen, wie jemand, der seine Ruhe haben will. Magda hatte ihr auch in der Vergangenheit noch nie angeboten, sie mit dem Auto irgendwohin mitzunehmen.
So kann man sich irren, dachte Katharina, winkte noch einmal kurz und fuhr knatternd davon.
Magda trank drei Cappuccino, bis ihr Puls zu rasen begann. Dann fuhr sie nach Pietraviva zum Casa Domenica, wo Monica und Massimo wohnten.
Die beiden waren seit siebenundzwanzig Jahren verheiratet und benahmen sich, als hätten sie sich gerade erst vor vier Wochen kennengelernt. Massimo machte als massiger Hüne seinem Namen alle Ehre, Monica war eine zarte, kleine Person und sah aus, als könne ihr Mann sie mit einer Hand in der Luft zerquetschen. Massimos Leidenschaft war das Essen, und das passte blendend zu Monicas Leidenschaft, dem Kochen. Ihr Mann verschlang sieben reichhaltige Gänge eines Menüs, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne jedes anschließende Völlegefühl. Beim Nachtisch verkündete er regelmäßig, die Ehe mache dick und beschere einem jedes Jahr ein Kilo mehr auf den Rippen. Gegen dieses Naturgesetz sei nun mal leider kein Kraut gewachsen.
Dabei lächelte Monica stets still vor sich hin und empfand den Standardspruch ihres Mannes als dickes Kompliment.
Massimo hatte ein schlichtes Gemüt und war eine grundehrliche Haut. Mit seinen achtundfünfzig Jahren war er als ehemaliger Tischler bereits pensioniert und besserte seine Rente durch zahlreiche Gelegenheitsarbeiten auf. So übernahm er Gartenarbeiten, baute Zäune und Ställe und war immer zur Stelle, wenn irgendjemand Hilfe brauchte. Außerdem besaß er einen kleinen Weinberg und einige Olivenbäume, und was er nicht selbst verbrauchte, verkaufte und verschenkte er an Freunde und Bekannte.
Magda mochte die beiden sehr. Es war schon
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