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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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zurückzuführen, dass Priorin Joan dem Prior Eifersucht und Neid unterstellte, weil die Gebeine des Kleinen St. Peter im Nonnenkloster bereits einige Wunder gewirkt hatten. Wenn sie nun angemessen aufbewahrt wurden, würde sich ihr Ruhm weiter verbreiten, sie würden Wallfahrer anlocken, was dem Einkommen des Klosters zugutekäme, die Wunder würden zunehmen. Und zweifellos auch Prior Geoffreys Neid. »Brechen wir auf, ehe er sich wieder erholt hat.« Sie schaute sich um. »Wo steckt denn dieser Hugh mit meinen Hunden? Ach zum Teufel, er ist doch wohl nicht mit ihnen auf den Berg gestiefelt.«
    Sir Joscelin machte sich sogleich auf die Suche nach dem abgängigen Jäger. Sir Gervase, der seine eigenen Hunde in Hughs Meute hatte, folgte ihm.

    Der Prior hatte gut geschlafen und kam allmählich wieder zu Kräften. Er saß auf einem Baumstumpf, aß Eier aus einerPfanne über dem Feuer der Reisenden aus Salerno und wusste gar nicht, was er zuerst fragen wollte. »Ich kann es noch immer nicht fassen, Master Simon«, sagte er.
    Der kleine Mann ihm gegenüber nickte mitfühlend. »Das verstehe ich, Mylord.
›Certum est, quia impossibile.‹«
    Dass ein armseliger fahrender Händler Tertullian zitierte, verwunderte den Prior noch mehr.
    Wer waren diese Leute? Wie dem auch sei, der Bursche hatte es auf den Punkt gebracht: Die Situation musste so sein, weil sie unmöglich war. Nun denn, immer schön der Reihe nach. »Wo ist sie hin?«
    »Sie durchstreift gerne die Berge, Mylord, studiert die Natur, sammelt Kräuter.«
    »Bei dem Berg hier sollte sie vorsichtig sein. Die Einheimischen machen einen weiten Bogen um ihn und überlassen ihn allein ihren Schafen. Sie sagen, am Wandlebury Ring treiben Hexen und die Wilde Jagd ihr Unwesen.«
    »Mansur begleitet sie stets.«
    »Der Sarazene?« Prior Geoffrey hielt sich für einen aufgeschlossenen Menschen, der noch dazu dankbar war, doch das enttäuschte ihn. »Dann ist sie also eine Hexe?«
    Simon verzog das Gesicht. »Mylord, ich bitte Euch … Wenn Ihr das Wort in ihrer Anwesenheit vermeiden könntet … Sie ist eine ausgebildete Ärztin.«
    Er stockte kurz und fügte dann hinzu: »Gewissermaßen.« Wieder blieb er bei der buchstäblichen Wahrheit. »Die Schule von Salerno gestattet Frauen, als Arzt zu praktizieren.«
    »Das habe ich auch schon gehört«, sagte der Prior. »Salerno, hä? Aber ich hab’s nicht geglaubt, genauso wenig, wie ich glaube, dass Kühe fliegen können. Anscheinend muss ich von nun an auf Kühe am Himmel achten.«
    »Das ist immer ratsam, Mylord.«
    Der Prior schaufelte sich noch einen Löffel Ei in den Mund, schaute sich um und genoss das Frühlingsgrün und das Vogelgezwitscher wie schon lange nicht mehr. Er wog die Sachlage ab. Diese kleine Gruppe war zwar offenbar nicht von Stand, aber doch gelehrt, was bedeutete, dass der erste Eindruck täuschte. »Sie hat mich gerettet, Master Simon. Hat sie diesen speziellen Eingriff in Salerno gelernt?«
    »Von den besten ägyptischen Ärzten, soweit ich weiß.«
    »Bemerkenswert. Nennt mir ihr Honorar.«
    »Sie wird sich nicht bezahlen lassen.«
    »Wirklich?« Das wurde ja immer rätselhafter. Weder dieser Mann noch die Frau sahen aus, als würden sie auch nur einen Shilling ihr Eigen nennen. »Sie hat mich beschimpft, Master Simon.«
    »Mylord, ich bitte um Vergebung. Leider gehört gutes Benehmen am Krankenbett nicht gerade zu ihren Stärken.«
    »Nein, offenbar nicht.« Und weibliche Schliche waren ihr wohl ebenso fremd, soweit der Prior das beurteilen konnte. »Verzeiht einem alten Mann seine Unverschämtheit, aber nur damit ich sie richtig anspreche, zu wem von Euch beiden … gehört sie?«
    »Zu keinem von uns, Mylord.« Der Mann schien eher amüsiert als beleidigt. »Mansur ist ihr Diener, ein Eunuch – ein Unglück, das über ihn kam. Und ich selbst bin in Liebe an meine Frau und Kinder in Neapel gebunden. Es gibt also keine Zugehörigkeit in diesem Sinne. Wir sind lediglich durch die Umstände verbündet.«
    Und der Prior, obgleich kein leichtgläubiger Mensch, glaubte ihm, was seine Neugier noch weiter steigerte. Was zum Teufel wollten die drei hier?
    »Dennoch«, sagte er laut und streng. »Ich muss Euch sagen, ganz gleich, welcher Grund Euch nach Cambridge führt, Eureeigenartige Dreiermenage wird Missfallen erregen. Die Mistress Ärztin sollte in weiblicher Begleitung reisen.«
    Diesmal war Simon der Überraschte, und Prior Geoffrey sah, dass die Frau für diesen Mann tatsächlich nur eine Kollegin

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