Die Totgesagten
doch ab, verfluchte Scheiße! Das machst du doch immer! Hau ab! Diesmal brauchst du nicht zurückzukommen!«
Als die Tür hinter Marit zugeschlagen war, setzte Kerstin sich an den Küchentisch. Sie atmete so heftig, als wäre sie gerannt. Vielleicht war sie das auch. War dem Leben hinterhergerannt, das sie sich für sie beide wünschte. Marits Angst verhinderte, dass sie es wirklich führen konnten. Zum ersten Mal hatte Kerstin ihre Worte ernst gemeint. Sie spürte, dass ihr langsam, aber sicher die Kraft ausging.
Doch nun, am Morgen danach, war dieses Gefühl einer tiefen und quälenden Sorge gewichen. Sie hatte kein Auge zugetan. Hatte darauf gewartet, dass die Tür aufging und die vertrauten Schritte auf dem Parkett ertönten, hatte dar auf gewartet, sie endlich umarmen, trösten und um Verzeihung bitten zu können. Aber Marit war nicht nach Hause gekommen. Die Autoschlüssel waren auch nicht mehr da. Wo zum Teufel steckte sie? Ob etwas passiert war? Vielleicht war sie zu Sofies Vater gefahren, ihrem Exmann. Oder etwa zu ihrer Mutter nach Oslo?
Mit zitternden Fingern nahm Kerstin den Hörer ab und begann herumzutelefonieren.
»Wie groß ist Ihrer Ansicht nach die Bedeutung für den Tourismus in der Gemeinde Tanum?« Der Reporter des Bohusläningen hielt Stift und Notizblock bereit und wartete auf die Antwort.
»Immens.Wirklich immens. Fünf Wochen lang wird täglich eine halbe Stunde hier aus Tanum gesendet. So eine gute Gelegenheit, unsere Gegend bekannt zu machen, gab es noch nie!« Erling schmunzelte. Vor dem Heimathof hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die den Bus mit den Teilnehmern erwartete. Hauptsächlich Teenies, die vor Aufregung kaum stillstehen konnten. Bald würden sie ihre Idole live erleben.
»Könnte die Show nicht auch den gegenteiligen Effekt haben? In früheren Staffeln ging es vor allem um Streitereien, Sex und Alkohol. Ich nehme nicht an, dass man den Touristen einen solchen Eindruck vermitteln möchte.«
Erling sah den Reporter leicht verärgert an. Dass die Leute alles so negativ sehen mussten! Diesen Mist hatte er bereits in seinem Gemeinderat zu hören bekommen, und nun ritt die lokale Presse ebenfalls darauf herum.
»Sie haben bestimmt schon mal gehört, dass jede Publicity gute Publicity ist. Mal ehrlich, im nationalen Vergleich führt Tanum ein eher verschlafenes Dasein. Mit Raus aus Tanum wird sich das ändern.«
»Ja, aber …«, begann der Reporter, doch nun hatte Erling die Geduld verloren.
»Leider habe ich jetzt keine Zeit für weitere Kommentare, da ich das Empfangskomitee abgebe.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging mit großen Schritten auf den Bus zu, der soeben eingetroffen war. Die Jugendlichen drängten sich voller Erwartung vor der Tür. Erling fühlte sich bestätigt. Das war genau das Richtige für diesen Ort. Nun würde Tanum endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwachen.
Als sich die Bustüren zischend öffneten, stieg zuerst ein Mann um die vierzig aus. Den enttäuschten Blicken der Fans war zu entnehmen, dass es sich nicht um einen Teilnehmer handelte. Erling hatte noch keine der vielen Reality-Soaps gesehen und wusste daher nicht, wer oder was ihn erwartete.
»ErlingW. Larson.« Er streckte die Hand aus und setzte sein gewinnendstes Lächeln auf. Die Fotografen knipsten.
»Fredrik Rehn.« Der Mann ergriff Erlings ausgestreckte Hand. »Wir haben telefoniert, ich organisiere diesen Zirkus.« Nun lächelten sie beide.
»Im Namen von Tanum heiße ich euch herzlich willkommen. Wir sind froh und stolz, euch hierzuhaben, und freuen uns auf eine spannende Staffel.«
»Besten Dank. Unsere Erwartungen sind hoch. Nach zwei erfolgreichen Staffeln wissen wir, dass dies ein Erfolgsformat ist, und freuen uns auf gute Zusammenarbeit. Doch wir wollen die jungen Leute nicht länger auf die Folter spannen.« Fredrik setzte ein breites und außergewöhnlich weißes Lächeln für das aufgeregte Publikum auf. »Hier kommen die Teilnehmer von Raus aus Tanum : BigBrother -Barbie, Big-Brother -Jonna, Expedition-Ro bin son -Calle, Bar -Tina, Robinson -Uffe und, last but not least, Farm -Mehmet.«
Als die Teilnehmer der Reihe nach aus dem Bus stiegen, brach Massenhysterie aus. Die Leute kreischten, winkten und drängelten sich nach vorn, um ihre Lieblinge anzufassen oder um Autogramme zu bitten. Die Kameramänner filmten emsig. Zufrieden, wenn auch ein wenig verwundert, betrachtete Erling die hysterischen Reaktionen auf die Ankunft der Teilnehmer. Dabei überlegte
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