Die Nachtwächter
MANHATTAN
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Night Watch« 2002 bei Doubleday/Transworld Publishers, London.
Manhattan Bücher erscheinen im Goldmann Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH.
1.Auflage
Copyright © 2002 by Terry und Lyn Pratchett
Copyright © der Karte 2002 by Stephen Briggs
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Die Nutzung des Labels Manhattan erfolgt mit freundlicher
Genehmigung des Hans-im-Glück-Verlags, München
Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin
Druck: GGP Media, Pößneck
Made in Germany
ebook by Monty P.
ISBN 3-442-54536-6
Sam Mumm seufzte, als er den Schrei hörte, aber er rasierte sich zu
Ende, bevor er etwas unternahm.
Dann zog er seine Jacke an und schlenderte in den wunderschönen
Morgen des späten Frühlings hinaus. Vögel zwitscherten in den
Bäumen, Bienen summten in Blüten. Der Himmel war dunstig, und
Gewitterwolken am Horizont kündigten Regen an. Doch derzeit war es
noch heiß und drückend. Und in der alten Jauchegrube hinter dem
Schuppen des Gärtners trat ein junger Mann Wasser.
Zumindest trat er.
Mumm wahrte einen gewissen Abstand und zündete sich eine Zigarre
an. Es wäre sicher nicht klug gewesen, eine offene Flamme näher an die
Grube heranzubringen. Der Sturz vom Dach des Schuppens hatte die
Kruste durchbrochen.
»Guten Morgen!«, sagte er munter.
»Guten Morgen, Euer Gnaden!«, erwiderte der fleißige Treter.
Die Stimme war höher, als Mumm erwartet hatte, und er stellte fest,
dass der junge Mann in der Jauchegrube eine junge Frau war. Es kam
nicht völlig unerwartet – bei der Assassinengilde hatte man begriffen, dass Frauen ihren Brüdern im einfallsreichen Töten durchaus
ebenbürtig waren, aber es veränderte die Situation ein wenig.
»Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet, oder?«, fragte Mumm.
»Obgleich du weißt, wer ich bin. Du bist…«
»Wiggs, Herr«, sagte die Schwimmerin. »Jocasta Wiggs. Es ist mir eine
Ehre, dich kennen zu lernen, Euer Gnaden.«
»Wiggs?«, wiederholte Mumm. »Berühmte Familie in der Gilde.
Übrigens, ›Herr‹ genügt. Ich glaube, ich habe deinem Vater einmal das
Bein gebrochen.«
»Ja, Herr«, bestätigte Jocasta. »Ich soll dich von ihm grüßen.«
»Bist du nicht ein wenig zu jung für diesen Kontrakt?«, fragte Mumm.
»Es gibt keinen Kontrakt, Herr«, sagte Jocasta weiter tretend.
»Ich bitte dich, Fräulein Wiggs. Der auf meinen Kopf ausgesetzte
Preis ist mindestens…«
»Die Gilde hat den Kontrakt außer Kraft gesetzt, Herr«, sagte die
hartnäckige Schwimmerin. »Dein Name steht nicht mehr auf der Liste.
Derzeit werden keine Aufträge angenommen, die dich betreffen.«
»Meine Güte, warum nicht?«
»Ich weiß nicht, Herr«, sagte Fräulein Wiggs. Ihre beharrlichen
Anstrengungen brachten sie zum Rand der Grube, und dort entdeckte
sie, dass das Mauerwerk in ausgezeichnetem Zustand und sehr glatt war
und keinen Halt bot. Mumm wusste das, weil er an einem Nachmittag
mehrere Stunden damit zugebracht hatte, genau diesen Zustand
herzustel en.
»Warum hat man dich dann geschickt?«
»Frau Band meinte, es sei eine gute Übung«, sagte Jocasta.
»Donnerwetter, diese Steine sind wirklich sehr glitschig.«
»Ja, das sind sie«, sagte Mumm. »Bist du in letzter Zeit frech zu Frau
Band gewesen? Hast du sie irgendwie verärgert?«
»O nein, Euer Gnaden. Aber sie meinte, ich hätte zu großes
Selbstvertrauen, und ein Außeneinsatz könnte mir sicher nützen.«
»Ah. Verstehe.« Mumm dachte an Frau Band, die zu den strengeren
Lehrern der Assassinengilde zählte. Er hatte gehört, dass sie großen
Wert auf praktische Lektionen legte.
»Sie hat dich also mit dem Auftrag geschickt, mich zu töten?«, fragte
er.
»Nein, Herr! Es ist eine Übung! Ich habe überhaupt keine
Armbrustbolzen dabei! Es ging nur darum, eine Stel e zu finden, von
der aus ich auf dich zielen kann. Anschließend sol te ich zurückkehren
und Bericht erstatten.«
»Frau Band würde dir glauben?«
»Natürlich, Herr«, sagte Jocasta und wirkte gekränkt. »Gildenehre,
Herr.«
Mumm atmete tief durch. »Weißt du, Fräulein Wiggs, in den letzten
Jahren haben ziemlich viele deiner Assassinenkollegen versucht, mich
zu Hause umzubringen. Ich halte nicht viel davon, wie du viel eicht
verstehst.«
»Das ist leicht einzusehen, Herr«, sagte Jocasta im Tonfal
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