Die Traene des Drachen
Ein Herzschlag jagt den anderen. Ihre Lungen pumpen sich mit Luft voll, um sie gleich wieder aus ihrem Körper zu pressen. Sie weiß nicht, ob sie Angst vor diesem fremdartigen Mann haben oder ob sie sich in seiner Anwesenheit wohl und sicher fühlen soll. Ihre innere Zerrissenheit nimmt jedoch jäh ein Ende, als er unvermutet seine Arme um sie schlingt und behutsam, aber besitzergreifend an sich drückt. Nackte Haut trifft auf nackte Haut. Mit dieser Berührung wird ihre Angst vor ihm sofort vertrieben. Denn sie spürt, wie eine lange währende Sehnsucht in ihr endlich ihre Erfüllung findet. Sie legt ihre Hände um seinen Hals und erwidert seine Umarmung. Ihre beiden Körper werden ein Körper. Ihre beiden Herzen schlagen wie ein Herz und ihre Lungen vereinigen sich in dem Moment, in dem ihre Lippen aufeinandertreffen. Durch ihren Kuss wird ihr beider Atem zu einem Atem. Ein Kuss, in den jeder all seine Liebe für den anderen hineinlegt und der mit immer unbändiger werdender Leidenschaft erwidert wird... bis der Mann die Frau, ohne seinen Mund von ihrem zu lösen, auf seine Arme nimmt und zum Bett trägt, um dort mit ihr in den Fellen zu versinken und die Vereinigung ihrer Körper zu vollenden...
Weder Schmerz noch Wärme noch Kälte, sondern ein Geruch, sein Geruch ließ Elea schlagartig die Augen aufreißen und ihren Oberkörper in die Höhe schnellen. Sie drehte ihren Kopf und blickte direkt hinab in sein blaues und schwarzes Auge, aus denen er ihr zulächelte. Und mit einem Mal waren sie da, die schrecklichen Erinnerungen. Panikartig begann sie sofort, ihren Bauch nach der Pfeilverletzung abzusuchen. Sie konnte aber nichts finden. Nicht einmal eine Narbe. Den einzigen Beweis für ihre beinahe tödliche Verletzung fand sie in einem großen roten Fleck auf ihrem Hemd. Dann fiel ihr plötzlich Maéls riesige Brandwunde ein, die Darrach ihm in seiner grenzenlosen Bosheit beigebracht hatte. Sie sah auf seinen Bauch. Doch von ihr war ebenso wenig etwas zu sehen. Ihr Blick von seinem Bauch schweifte auf die riesige Gestalt, die nur wenige Schritte von ihr entfernt war und sie ebenso wie Maél neugierig betrachtete. Es dauerte nicht lange, da erklang die ihr in so kurzer Zeit so vertraut gewordene, tiefe Stimme in ihrem Kopf.
„Was ist los mit dir? Hast du deine Zunge verschluckt? Dank deiner Unvernunft und deines wahnwitzigen Plans sitzen wir wieder in meiner verdammten Höhle und dies mit diesem unberechenbaren Maél. Eins muss ich aber unumwunden zugeben: Er liebt dich wirklich. Er hat sich irgendwie dem Befehl Darrachs widersetzen können. Und wenn dieser verfluchte Zauberer nicht diesen Pfeil auf dich geschossen hätte, dann würde er wahrscheinlich immer noch halb nackt im Schnee liegen.“
Elea sah von Arabín überrascht zu Maél, der inzwischen seinen Kopf auf seinen Ellbogen aufgestützt und ebenso wie sie noch keine Worte gefunden hatte. Sie konnte seinem Gesichtsausdruck Erleichterung, aber noch etwas anderes entnehmen, das noch recht schwach ausgeprägt war. Das Gefühl von Glück, sie noch einmal dem Tod entrissen zu haben, war noch zu übermächtig. Aber sie war sich sicher, dass diese andere Gefühlsregung von Augenblick zu Augenblick in Maéls Gesicht die Oberhand gewinnen würde. Sie hasste es, dass sie aus ihren ohnmachtartigen Erholungphasen, die stets auf ihre albtraumhaften Erlebnisse folgten, immer ohne Gedächtnisverlust wieder aufwachte. Ihre Erinnerungen an die Geschehnisse auf der kreisförmigen Fläche waren so klar, dass sie nicht einmal die Chance hatte, sich vor dem, was ihr jetzt gleich blühte, in Unwissenheit darüber zu flüchten. Deshalb wollte sie eine Strategie einschlagen, in der sie sich für ihre unüberlegte Tat entschuldigen, aber auch rechtfertigen wollte. Sie hob ihre Hand und legte sie Maél auf die Stelle seines Bauches, wo sich die Brandwunde befunden hatte. Erst jetzt fielen ihr seine Blutergüsse und Schwellungen im Gesicht auf. „Was ist mit deinem Gesicht geschehen? War das auch Darrach?“, wollte sie besorgt wissen. „Nein, es war Finlay, als ich ihm gestand, den tödlichen Pfeil auf seine Mutter abgeschossen zu haben. Wie du dir denken kannst, war er darüber sehr ungehalten.“ Elea spürte bereits, dass Maéls Erleichterung über ihre Rettung sich langsam aber sicher in Luft aufzulösen drohte. Der Klang seiner Stimme und seine Wortwahl ließen keinen Zweifel daran, dass seine Stimmung bereits im Begriff war, umzuschlagen. Außerdem wurde die kleine
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