Die Traene des Drachen
hatte Maél schon die ganze Zeit gewartet. Ein lautes Aufstöhnen entrann seinem Mund, welches er erneut mit dem Raufen seiner Haare und nervösem Auf- und Abgehen untermalte. Elea packte ihn am Ellbogen und zwang ihn, sie anzusehen. „Du hast deines auch nicht gehalten. Also wirf mir mein gebrochenes Wort nicht vor!“, entgegnete er in trotzigem Ton. „Was verschweigst du mir? Sag es mir endlich!“
„ Ich kann und will es nicht sagen. Aber wenn du es unbedingt wissen willst, dann frag ihn, er weiß es bestimmt. Er muss es wissen. Es hat auch etwas mit ihm zu tun.“
„ Stimmt das, Arabín? Du weißt etwas?“, fragte Elea den Drachen mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Also ich kann mir vorstellen, worum es geht. Aber ich finde, dass es seine Pflicht ist, es dir zu sagen. Sag ihm das!“
Elea wurde immer ungeduldiger und sie verspürte eine immer größer werdende Beklommenheit, die kurz davor stand, in Panik überzugehen. Es musste etwas von folgenschwerer Bedeutung sein, was er ihr verheimlichte.
Maél hatte sich schon wieder von ihr abgewandt und stützte sich mit beiden Händen an der Wand des emporenartigen Vorsprungs ab. Elea räusperte sich zuerst, bevor sie sprach. Dies änderte jedoch nichts daran, dass ihre Stimme immer noch heiser klang und zitterte. „Arabín meint, dass du es mir sagen solltest, nicht er. Ich will es wissen, jetzt sofort!“ Sie hörte, wie Maél laut die Luft ausstieß. Ohne sich umzudrehen, sagte er: „Darrach hat mir befohlen, mit niemand darüber zu reden. Ich kann es dir nicht sagen.“
„ Du hast dich gerade seinem Befehl widersetzt, mir dein Messer an die Kehle zu halten. Dann wirst du es ja wohl auch schaffen, mir dieses offensichtlich so ungeheuerliche Geheimnis zu enthüllen.“ Maél nahm seine Hände von der Wand und drehte sich ganz langsam zu ihr um. Er ballte seine Hände zu Fäusten, als focht er erneut einen Kampf in seinem Innersten aus. Nach einer Weile, die Elea wie eine Ewigkeit vorkam, begann er endlich mit gebrochener Stimme zu sprechen. „Es geht... um deine Unberührtheit... Sie war für das Knüpfen des Bandes... zwischen dir und dem Drachen... unbedeutend.“ Elea wollte ihren Ohren nicht trauen. „Aber König Roghan selbst, und sogar Darrach und du, ihr habt doch behauptet, dass...“ Sie konnte nicht weitersprechen, weil der Schluss, den sie aus dieser Ungeheuerlichkeit zog, nur in eine Richtung wies, nämlich dass es eine Lüge war, und zwar eine Lüge, die auch von Maél getragen wurde. „Roghan unterliegt derselben Täuschung wie du. Darrach hat ihm diese Lüge aufgetischt. Mir zuerst auch. Aber dann am Tag vor unserer Abreise hat er mir die eigentliche Bedeutung deiner Unberührtheit offenbart.“
Maél musste eine Pause machen, um sich noch einmal mit all seiner Kraft gegen Darrachs Befehl aufzubäumen. Die Vorstellung, wie tief betroffen und enttäuscht Elea von ihm sein würde, brach ihm jetzt schon das Herz. Wie würde sie aber erst reagieren, wenn sie erführe, dass sie sich nie lieben dürften?! „Elea, unsere Liebe stand von Anfang an nicht unter einem guten Stern. Du weißt das selbst. Dass wir uns nicht so nahe kommen durften, fühlte ich schon in der Höhle im Sumpf. Elea, ich darf unter gar keinen Umständen der Mann sein, dem du deine Unberührtheit schenkst, weil... weil dieser Mann dann auch die Kontrolle über dich und vor allem über den Drachen gewinnt. Ich denke, du verstehst, was dies für Darrach bedeuten würde, wenn ich derjenige wäre, der...“
Elea war sprachlos. Sie stand einfach nur da – fassungslos und mit Tränen in den Augen, die bereits unaufhaltsam ihren Weg über ihre Wangen gefunden hatten. Das einzige, was sie konnte, war Arabín gedanklich eine Frage zu stellen: „Warum hast du mich über meinen Irrtum nicht längst aufgeklärt?“
„ Ich hielt es für besser, den wahren Grund, warum du und Maél euch nicht vereinigen dürft, vor dir geheimzuhalten. Ich dachte, du würdest deinen Lebensmut verlieren, wenn du erfahren würdest, dass die Erfüllung eurer Liebe hoffnungslos ist. Elea, ich konnte deutlich fühlen, wie stark deine Liebe zu ihm ist. Aber wie ich jetzt deinen Gedanken entnehmen konnte, war meine Sorge um deinen Seelenzustand deswegen unbegründet. Elea, vergiss nicht, was ich dir über das Portal und dem, was dahinter lauert, erzählt habe. Deine Verantwortung als Wächterin des Tores ist zu groß, als dass du sie für ihn aufs Spiel setzen könntest.“ Elea nahm Arabíns
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