Die Tränen der Henkerin
hätte sie ihn verhext. Wenn er mit Othilia das Bett teilte, tanzte Mechthilds Gesicht vor seinen Augen, war es ihr feuerrotes Haar, das auf dem Laken schimmerte, waren es ihre blauen Augen, die ihn voller Leidenschaft ansahen. Er musste sie besitzen, sonst würde er wahnsinnig werden.
Er atmete tief durch. Arnfried sollte seine Enttäuschung nicht spüren. Sein treuer Spion konnte nichts dafür, dass er von dieser Magd besessen war. Im Gegenteil: Arnfried scheute keine Mühen und Gefahren, um sie zu finden; sogar im tiefsten Winter, als fast alle Straßen unpassierbar waren, war er Hinweisen nachgegangen. »Verzeiht meine Ungeduld, mein guter Arnfried. Was macht Euch so sicher, dass es diesmal die Richtige ist?«
Der Spion hob den Blick. »Nun, in Reutlingen ist mir eine bemerkenswerte Geschichte von einer Familie Füger zu Ohren gekommen, die in Rottweil lebt. Ein Wendel Füger mit Gemahlin und Tochter.«
Wendel Füger! Von Säckingen hatte lange nicht an ihn gedacht, doch vergessen würde er diesen Namen nie. Wendel Füger, der junge Karcher, war dem Tod gleich zweimal von der Schippe gesprungen: erst bei der Hinrichtung in Esslingen und dann den Meuchelmördern in den Gassen seiner Heimatstadt. Der Bursche schien mehr Leben zu besitzen als eine Katze. Seit de Bruce verschwunden war und mit ihm der Befehl, Wendel Füger zu töten, hatte von Säckingen sich nicht mehr um ihn geschert. Jetzt aber war sein Interesse geweckt. »Und? Was ist mit diesem Füger? Was macht er in Rottweil? Er ist aus Reutlingen, nicht wahr?«
Arnfried zog die Augenbrauen hoch. »In der Tat, er stammt aus Reutlingen. Sein Vater ist der ehrenwerte Meister Erhard Füger, ein überaus erfolgreicher und angesehener Weinhändler und Wirt.« Er starrte wieder in den Becher und räusperte sich.
»Schon gut«, sagte von Säckingen. »Zum Wohl!«
Sie stießen an. Von Säckingen nippte nur einmal, Arnfried aber nahm einen tiefen Zug. »Wahrhaftig ein guter Tropfen, von Säckingen! Ihr beweist ein ums andere Mal guten Geschmack.«
»Dank Euch für das Kompliment.« Er versuchte zu lächeln. »Nun, was ist mit diesem Wendel Füger? Was hat er mit der Magd Mechthild zu schaffen?«
»Er hat sie geheiratet.«
Von Säckingen ballte unwillkürlich die Faust, befahl sich jedoch sogleich, ruhig zu bleiben. »Er hat was?«
»Nun, Fügers Gemahlin ist angeblich eine Melissa de Willms aus Augsburg. Ich habe mich umgehört, eine Familie de Willms ist in Augsburg gut bekannt. Eins ist jedoch seltsam.«
»Ja?« Von Säckingen griff an seinen Schwertknauf.
Arnfried fuhr eilig fort: »Melissa ist angeblich die Zwillingsschwester eines gewissen Merten de Willms, Schreiber aus Augsburg, der just ein paar Wochen vor Fügers Heirat spurlos verschwand.« Er leerte seinen Becher in einem Zug.
Von Säckingen fragte sich, ob dieser Wein nicht auch an den Spion verschwendet war. Bisher hatte er nichts als wirre Reden hervorgebracht. »Soll ich Euch nachschenken?«, fragte er dennoch so freundlich er konnte. Am liebsten hätte er Arnfried die Worte aus dem Hals geschüttelt.
»Habt Dank, aber dieser Tropfen ist zu schade, um meinen Durst damit zu löschen.«
»Ich dachte schon …«
»… ich sei genauso ein Barbar wie Eure Soldaten?« Arnfried schüttelte den Kopf. »Ihr solltet wissen, dass ich einige Jahre am Hofe Eberhards I. als Sekretär gedient habe.«
Natürlich wusste von Säckingen das. Er hatte nach dem lebensgefährlichen Reinfall mit seinem früheren Spion Dietrich nicht umsonst Arnfried angeheuert – keinen Gauner, sondern einen Mann mit tadellosem Ruf und besten Verbindungen. Er unterhielt weit über Württemberg hinaus ein dichtes Netz an Informanten. Entsprechend kostspielig waren seine Dienste.
»Dieser Merten de Willms hat bis kurz vor seinem Verschwinden bei Erhard Füger als Schreiber gearbeitet«, berichtete Arnfried. »Nun frage ich Euch: Wohin ist dieser Merten verschwunden? Und wie kommt es, dass kurz darauf eine rätselhafte Zwillingsschwester auftauchte? Was meint Ihr?«
»Spannt mich nicht länger auf die Folter, Arnfried. Ich warne Euch!«
»Ich sagte Euch doch, dass ich mich über die Familie de Willms kundig gemacht habe. Mein Informant wusste nicht viel, einer Sache war er sich aber ganz sicher: Die de Willms sehen sich alle sehr ähnlich, sie haben pechschwarze Haare, tiefbraune Augen und eine auffällig geschwungene Nase.«
»Und Wendel Fügers Gemahlin …«
»… hat blaue Augen und eine feuerrote Mähne – ganz so,
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