Die Tränen der Justitia (German Edition)
Deshalb sind sie so gut gelaunt.
Monika fragte aus der Küche, ob er sich nicht zu ihnen gesellen wolle. Wie bitte? Habe ich mich verhört? Jetzt geht es wirklich zu weit! Nadine staucht mich nicht zusammen, Viviane lacht wie in alten Tagen und meine Frau, die mich nie bei ihren konspirativen Treffen dabei haben will, lädt mich plötzlich in die Küche ein. Irgendjemand klingelte. Ist heute Abend etwa noch Hexenbasar? Die drei Verschwörerinnen begrüssten offenbar einen alten Freund.
«Besuch, Francesco. Sagst du kurz Guten Tag?»
Und ob! Ich will sehen, wer da bei uns eindringt.
«Guten Abend, Herr Ferrari.»
«Guten Abend, Herr Wagner.»
«Grüsse von Chefin!»
Wortkarg wie immer. Aha, er holt Nadine ab. Anscheinend wird das etwas Ernstes.
«Danke. Kommen Sie herein. Trinken Sie ein Glas Wein mit uns?»
Wagner schaute zu Nadine hinüber. Kaum kennen sie sich, schon wird er zum Pantoffelhelden. Tja, das hat er selbst gewählt.
«Spät dran, doch für ein Glas Wein reicht es noch.»
Wow! Das war fast ein ganzer Satz. Was soll ich bloss mit Wagner reden? Er ist ja nicht gerade der grösste Kommunikator. Zum Glück kommen die Amazonen mit ins Wohnzimmer. He! Was läuft denn hier ab? Wagner knappert an Viviane herum!
«Ich … ich … ich dachte …», jetzt erröte ich auch noch. «Aber Sie hatten gestern doch ein Date mit Nadine», wunderte sich Ferrari.
«Und mit Viviane!», stellte Wagner richtig.
«Das wusste ich nicht.»
«Du dachtest wohl, Lutz sei mein neuer Lover?»
«Ja … eigentlich schon … ich habe es dir doch gestern im Rebstock erzählt, Monika», er sah das verschmitzte Gesicht seiner Frau und verstummte für den Bruchteil einer Sekunde. «Ach so! Du wusstest, dass Nadine nichts mit Wagner hat und hast mich bewusst im Dunkeln tappen lassen.»
«Ein kleines Geheimnis unter Frauen! Bitte entschuldige.»
Monika zupfte ihren Francesco am Ohr.
«Lass das!»
«Lutz ist schon lange Kunde unserer Agentur. Als Monika mich vor einer Woche abholte, hatte er gerade einen Termin bei uns», begann Viviane zu erklären.
«Viviane stellte ihn mir vor. Ines kenne ich ja, aber nicht ihren Geschäftsführer. Ich merkte rasch, dass sich die beiden sehr gut verstehen. Da lag eine wunderbare Schwingung in der Luft. Nadine meinte dann, wir sollten Viviane mal etwas ausfragen, was wir auch taten. Und siehe da, mein Gefühl täuschte mich nicht.»
«Ich … ich mag ihn schon seit Langem», gestand Viviane und sah wie ein kleines Schulmädchen verlegen auf den Boden.
«Mag sie auch!»
Ein klares Statement von Lutz Wagner. Nicht gerade das, was man unter einer flammenden Liebeserklärung versteht, aber immerhin drei treffende Worte.
«Doch aus welchen Gründen auch immer, die Königskinder hatten bisher nicht zusammengefunden», ergänzte Nadine.
«Und da habt ihr nachgeholfen und die beiden miteinander verkuppelt. Sehr schön. Viviane liebt also Lutz und Lutz liebt Viviane. So weit, so gut. Da wäre nur noch das kleine Problem, dass Viviane nach wie vor mit Robert Häring verheiratet ist.»
«Kein Problem!»
Ferrari schaute Nadine und Monika durchdringend an. «Ihr werdet mir jetzt sicher gleich erzählen, dass Röbi ganz lieb geworden ist und freiwillig auf Viviane verzichtet.»
«Nicht freiwillig!», donnerte Wagners Stimme durch den Raum. «Nadine hat mir alles erzählt. Ich sagte zu Viviane, das bringe ich in Ordnung. Kein Problem. Ich bin zu Robert Häring gefahren und habe ihn gestellt. Er wurde ausfallend. Ich sagte ihm deutlich: ‹Lass Viviane in Ruhe. Falls nicht, lernst du mich kennen.› Er ging auf mich los. War mutig von ihm!»
Der kann ja sogar ganze Sätze bilden!
«Und dann?»
«Ich habe ihn noch ein letztes Mal gewarnt und durchs Fenster in den Garten geworfen.»
Zum Glück wohnte Röbi im Erdgeschoss.
«Und seither lässt er mich in Ruhe», strahlte eine über beide Ohren verliebte Viviane.
«Das ist die ganze Geschichte, Francesco. Morgen zieht Viviane zu Lutz. Die Trennung mit Röbi ist eingeleitet.»
Dem gabs wohl nichts mehr hinzuzufügen. Ende gut, alles gut.
19. Kapitel
Borer sass mit konzentrierter Miene an seinem Schreibtisch, er verfasste sein Kündigungsschreiben, entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben, abzuwarten, bis alles vorbei war. Mehrmals setzte er neu an. Von Hand zu schreiben war zwar altmodisch, hatte aber Stil. Ich finde den korrekten Ton nicht, überhaupt scheint sich jeder einzelne Buchstabe zu sperren, so, als würde er die weisse Fläche
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