Die Tränen der Vila
und Pflichten. So war ich, der Sohn eines hörigen Bauern, von einem Tag zum anderen Gutsherr und Eigentümer eines bescheidenen Landbesitzes geworden.
Mein Sohn, du ahnst vielleicht, mit welchem Ereignis meine Geschichte ihren Abschluss findet.
Im Wendenland nämlich war kein Frieden eingekehrt. Noch immer verbarg sich Pribislav, der älteste Sohn Niklots, in den Wäldern des Ostens und versuchte die Herrschaft über das Land seines Vaters zurückzugewinnen. Daher rüstete Herzog Heinrich im Jahre 1166 ein letztes Mal zum Krieg gegen die Wenden. Diesmal erging der Ruf zur Heeresfolge auch an mich, denn ich war nun ein Lehnsträger des Herzogs, und während Hartmann aufgrund seiner heiklen Gesundheit geschont worden war, stand ich im besten Alter. So blieb mir nichts anderes übrig, als ein Pferd für die Reise zu satteln und Hartmanns Rüstung und Waffen anzulegen.
Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass ich dem Kriegszug mit sehr gemischten Gefühlen entgegensah. Einerseits empfand ich es als eine schreckliche Pflicht, gegen jene Menschen kämpfen zu müssen, deren Sprache und Lebensweise ich wahrscheinlich besser kennengelernt hatte als jeder Christ zuvor. Andererseits drängte es mich, das Wendenland wiederzusehen, denn es war die Heimat Lanas – und obwohl fast zwanzig Jahre verstrichen waren, verging kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte, und keine Nacht, in der ich nicht von ihr träumte. Tausendmal war sie mir erschienen, mal schweigend in stummer Anklage meines Verrats, mal zärtlich lächelnd wie einst auf der Lichtung in den Wäldern. In Gedanken sprach ich zu ihr und versuchte zu erklären, warum ich sie verlassen hatte; dann wieder bat ich sie um Rat und Trost. Sie war mein Genius, meine Begleiterin, meine innere Stimme geworden, allgegenwärtig wie ein Geist, der mich umschwebte. Im Traum sah ich sie oft durch tiefe Wälder vor mir hergehen und versuchte ihr zu folgen, doch die Bäume griffen mit tausend knorrigen Fingern und Schlingen nach mir und hielten mich fest, so dass ich zurückblieb, während sie in der Ferne entschwand. Stets rief ich verzweifelt nach ihr, und oft erwachte ich schweißgebadet, ihren Namen noch auf den Lippen. In solchem Aufruhr der Gefühle trat ich den beschwerlichen Weg zum Sammelpunkt des Heeres an, das erneut bei der Ertheneburg lagerte.
Ich nehme voraus, was geschah: Wir zogen weit nach Osten und belagerten eine Festung mit Namen Demmin. Glücklicherweise kam es kaum zu Gefechten, so dass ich nicht gezwungen war, das Schwert gegen die Wenden zu erheben. Die Belagerung dauerte mehrere Wochen; am Ende jedoch gaben die hungernden Verteidiger auf und erkauften ihr Leben gegen Geld, Geiseln und Treueschwüre. Pribislav erlangte die Vergebung des Herzogs, indem er sich vor ihm in den Staub warf und bedingungslose Unterwerfung schwor. Heinrich zeigte sich gnädig – und um den einstigen Feind an sich zu binden, verlieh er ihm schließlich das Land seines Vaters als herzogliches Lehen. So endete der Widerstand der Wenden. Das Gebiet zwischen Elbe und Ostsee wurde endgültig der Herrschaft des Kreuzes unterworfen, und Pribislav verwaltete es als christlicher Fürst von Heinrichs Gnaden.
Als unser Heer sich auf dem Heimweg befand, durchquerten wir die dichten Wälder südlich des großen Sees, den man heute „Schweriner See“ nennt. Die Männer des Herzogs waren nicht besonders wachsam, da sie den Krieg gewonnen und allen Aufruhr befriedet glaubten. So geschah es, dass wir unversehens von einer Gruppe wendischer Krieger überfallen wurden, die im Gebüsch gelauert hatten, Speere auf uns schleuderten und dann eilig in den Wald flüchteten. Es war ein verzweifelter Anschlag, und sein Sinn bestand wohl eher darin, uns zu erschrecken, als uns ernsthaften Schaden zuzufügen. Doch fanden einige Speere ihr Ziel, und ein halbes Dutzend Männer rings um mich sank getroffen aus dem Sattel.
Auch gegen mich wurde ein Speer geschleudert, doch lenkte eine glückliche Fügung meinen Blick rechtzeitig zu jener Stelle, wo sich der Werfer aus dem Unterholz erhob. So duckte ich mich im rechten Moment und entging dem Tod. Mein Pferd jedoch scheute, und ich wurde abgeworfen, stürzte unglücklich und brach mir den linken Arm.
Sogleich zogen die Ritter ihre Schwerter, trieben ihre Pferde in den Wald und setzten den Flüchtenden nach. Doch sie kamen nicht weit, denn das Unterholz stand dicht. Nur einen einzigen fingen sie, der gestolpert und hinter den anderen zurückgeblieben war:
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