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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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verzweifelt gewesen, doch der Mensch erträgt alle Mühen mit unendlicher Geduld, wenn er nur weiß, dass er das richtige Ziel anstrebt. Vielleicht wäre ich ein Dichter und Sänger geworden, ein Fahrender, der beständig das Lied von der verlorenen Geliebten singt, hoffend, dass sie ihn eines Tages hören und erkennen möge, wenn er ein Dorf durchquert oder an den Mauern einer Burg vorbeizieht.
    Doch derlei Dinge geschehen vielleicht nur in Ritterromanen, wie ich sie Jahre später in der Klosterbibliothek zu Lüneburg las. Damals, am Rande der Wildnis im Wendenland, stand ich nur reglos an meinem Platz, während die Sonne unterging und ein leichter Regen einsetzte, der mir das Haar im Gesicht kleben ließ.
    Es war bereits gegen Mitternacht, als ich leise Schritte näher kommen hörte. Eine Hand legte sich auf meine Schulter – und als ich mich umblickte, war es Hartmann, der neben mir stand. Eine Weile blickte er gleich mir hinüber auf See und Wald, die im Regendunst verschwammen.
    Dann sprach er, und diesmal war seine Stimme von einer Wärme und Tiefe des Mitgefühls, wie ich es noch nie bei ihm wahrgenommen hatte.
    „Komm jetzt“, sagte er. „Du wirst noch krank werden, wenn du hier im Regen stehst.“
    Und er nahm mich bei der Hand wie ein Kind, zog mich vom Seeufer fort und führte mich zum Lager zurück.

Von meinem Sohn
    Was nach dem Kreuzzug und in den darauffolgenden Jahren geschah, kann ich in aller Kürze berichten – und so erscheint es auch in meiner Erinnerung, denn nachdem ich Lana verloren hatte, kam mir die Welt grau und trist vor, und wenig Anteil nahm ich an den weiteren Geschehnissen.
    So genügt es zu erwähnen, dass wir wohlbehalten zurück nach Sachsen gelangten und die Ertheneburg an der Elbe erreichten. Mein Herr und ich verabschiedeten uns herzlich von Graf Adolf, bevor wir dem Herzog nach Lüneburg folgten, um in einer Zeremonie bei Hof den Diensteid abzulegen. Fortan waren wir Unfreie, und insgeheim erleichterte mich diese Tatsache, weil sie es mir ersparte, das Märchen von meiner adligen Geburt aufrechtzuerhalten. Hartmann seinerseits bedauerte den Verlust seines Adels nur mit einem müden Lächeln, denn er gewann dafür einen regelrechten Altersruhesitz.
    Noch vor Ende des Jahres bezogen wir das kleine Rittergut in Reppenstede. Die „Uhlenburg“, wie die Einheimischen sie nannten, war kaum mehr als ein Herrenhaus mit angebautem Turm, umgeben von einer niedrigen Mauer, die Obstgärten und Hütten für das Gesinde einschloss. Wehrhaft war sie nicht, denn das Gut lag inmitten von Stammbesitzungen der herzoglichen Familie, so dass keine Fehden zu befürchten waren. Dies war uns nur recht, denn wir hatten genug vom Krieg. So verschwand Hartmanns Rüstung in einer hölzernen Truhe, und sein Schwert hing über dem Kamin. Jahrelang taten wir nichts anderes, als uns um Haus und Hof zu kümmern, im nahen Dorf die Abgaben einzusammeln und gelegentlich auf Weisung des Herzogs bei den Hoftagen in Lüneburg zu erscheinen.
    Hartmanns Bein blieb zeitlebens steif, und so war ich es, der die erforderlichen Dienste außerhalb des Hauses versah. Auf diese Weise wurde ich – selbst Sohn eines Bauern – plötzlich in die Rolle des Herrn versetzt, dem das Hofgesinde und die Bauern des Dorfes unterstanden. Oft erinnerte ich mich an Thiedericus, den Verwalter meines Heimatdorfes. Sein schlechtes Beispiel vor Augen, versuchte ich, den Hörigen ein milder Herr zu sein. Rasch kannte ich jeden der Bauern beim Namen, unterrichtete mich über ihren Besitz an Feldern und Vieh, die Zahl ihrer Kinder, Krankheiten, Todesfälle und dergleichen. In Absprache mit Hartmann erbat ich stets nur die allernötigsten Abgaben und gewährte Aufschub, wenn eine Familie Not litt. Wenn der Frondienst anstand und die Bauern auf den Feldern unseres Gutes arbeiteten, verköstigte ich sie reichlich und legte selbst Hand an, wo immer es möglich war. Zwar meinte Hartmann gelegentlich, die Leute würden revoltieren, wenn ich mich derart auf eine Stufe mit ihnen stellte, doch das Gegenteil war der Fall: Sowohl bei unserem Hofgesinde als auch im Dorf wurde ich ein gerngesehener Besucher, und oft ging ich hin, um mit den Bauern zu plaudern oder mich nach dem Gedeihen des Viehs zu erkundigen, damit sie mein Erscheinen nicht nur mit der leidigen Steuerpflicht verbanden.
    Daheim im Herrenhaus widmete ich mich vor allem der Buchhaltung, damit wir die schuldigen Abgaben an den Herzog weiterleiten und zugleich genug für unsere eigene

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