Die Traenen Des Drachen
ihm vorbei in Richtung Hafen und sahen ihn verwundert an. Vor den Tonnen, die den Eingang des Wirtshauses darstellten, stand ein Tuurer und hielt aufgeregt lange Reden. Karain lächelte vor sich hin und dachte, dass sicher wieder die Rede von Seeräubern war oder dass wieder irgendein Walschwarm eines der Schiffe draußen auf dem Meer versenkt hatte. So etwas ließ die Seeleute immer unruhig werden.
Er nahm eine Abkürzung und erreichte schließlich die Straße, in der er wohnte. Erleichtert hängte er die drei Eisenbänder über die Balken in der Werkstatt.
An diesem Abend kam der Schmied nach dem Essen zu Besuch. Zuerst glaubte Karain, er habe vergessen für die Bänder zu zahlen, und suchte an seinem Bund nach dem Säckchen mit dem Geld. Doch Vagge kam nicht, um Geld einzutreiben. Er hatte Neuigkeiten.
»Heute ist ein Schiff aus Krett angekommen«, sagte er, während ihm die Frau des Böttchers Bier in seinen Krug goss. Er kratzte sich an seinem struppigen Bart, schob das eine Bein über das andere und stützte seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab.
»Und mit dem Schiff kam etwas, das mir Angst macht.«
Karain setzte sich neben seinem Vater an den Tisch. Er mochte den Schmied, denn er war einer der Erwachsenen, die ihn ganz normal behandelten und ihm nicht aus dem Weg gingen.
»Angst, sagst du?« Sein Vater zog die Augenbrauen hoch und trank einen Schluck aus seinem eigenen Krug. »Warum? Sind Pestratten an Bord?«
Der Schmied lächelte, lehnte sich über den Tisch und fuhr Karain durch die Haare.
»Nein, weder Ratten noch Mehlkäfer oder Schimmelpilze.« Er stellte seinen Krug hin und ließ seinen Blick auf den Flammen der Feuerstelle ruhen.
»Aber mit den Krettern ist ein Gerücht in Umlauf geraten.«
»Ein Gerücht?« Sein Vater grinste. »Was für ein Gerücht? Und wer sollte denn diesen abergläubischen Krettern glauben?«
»Soviel ich weiß, hatten sie heute im Wirtshaus viele Zuhörer.« Der Schmied schluckte und umklammerte seinen Krug. Er sah zu Karain hinüber und blickte ihn unentwegt an, während er weitersprach. »Sie haben erzählt, dass die Städte im Osten des Meeres von Dämonen heimgesucht worden wären und dass diese die Gestalt von missgebildeten Menschen angenommen hätten.«
Jetzt hob er seinen Krug an, und Karain, der von seinem Blick gefangen gewesen war, erhob sich vom Tisch. Er ließ die Männer reden und schöpfte sich eine Kelle Wasser aus der Tonne an der Tür. Dann sah er sich im Raum um. Seine Mutter saß auf der Bank unter dem Fenster und nähte eine Hose, während Arga und Mir mit ihren Tieren, die sie aus Tannenzapfen gebaut hatten, spielten. Er trank einen Schluck und schlich sich dann hinüber zum Kamin. Dort stellte er sich hinter den Rücken seines Vaters und tat so, als wärme er sich am Feuer die Hände.
»Sie haben gesehen, wie die Dämonen die Menschen um ihren Verstand gebracht haben!« Die Stimme des Schmieds war leise und eindringlich. »Wie sie es miteinander getrieben und neue Missgeburten im Laufe nur einer Nacht geboren haben. Und jetzt sollen die Dämonen, wenn ich glauben soll, was ich gehört habe, auf dem Weg nach Norden sein.«
»Das darfst du nicht!« Die Stimme seines Vaters klang zornig. »Ich kenne dich als einen vernünftigen Mann, Vagge. Einen, der zu viel Selbstachtung und Lebenserfahrung hat, um die Lügen dieser einfältigen Kretter zu glauben!«
»Aber was, wenn die Dämonen hierher kommen? Was sollen wir dann tun? Ich meine, das war doch auch der Grund, weshalb wir den bemalten Tuur in diesem Frühjahr vertrieben haben! Wir wollen hier doch keine Zauberei!«
Sein Vater lachte.
»Der einzige Grund, den ich kenne, ist doch wohl der, dass er Liebesstaub in den Wein des Goldschmieds gestreut hat! Eine guter Streich, wenn du mich fragst!«
»Vielleicht ein Streich, aber stell dir nur vor, was hätte passieren können, wenn er seine Zauberkräfte anderweitig genutzt hätte!«
Sein Vater hob seinen Krug.
»Du wohnst zu nah am Hafen, Vagge. Du hörst da zu viel Unsinn. Lass uns trinken. Prost. Morgen müssen wir wieder arbeiten.«
Die zwei Männer stießen mit ihren Krügen an, kippten das Bier hinunter und wischten sich den Schaum aus ihren Bärten. Danach stand Vagge auf und ging zur Tür. Erneut spürte Karain seinen bohrenden Blick. Dann schob der Schmied die Tür auf und verschwand in die Nacht hinaus.
»Schlafenszeit!« Sein Vater klatschte in die Hände, schob den Stuhl an die Wand und räumte die Krüge weg.
»Hinaus mit euch!
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