Die Tränen meines Vaters
Musselinkleidern und mit Bändern geschmückten Schuten und weißen Segeltuchhosen und Strohhüten vorbei an der Stelle, wo er stand, zu einem Picknick brachten.
Aber Massachusettsland war vor hundert Jahren schon weitgehend gerodet, schutzlos Wind und Sonne ausgesetzt, abgeweidet von Schafen und Kühen. Vielleicht malte er sich alles ganz falsch aus. Der gewundene Fahrweg lief auf eine schroffe Wand aus Monolithen zu; wie hatte er den Rest des Hügels erklommen? Nahe dem Haus legten die zutage getretenen Granitadern rätselhaftes Zeugnis ab. Hier und da waren Löcher in den Stein gebohrt, als habe man Eisentoreoder schwere Markisen verankern wollen. Eine verglaste Veranda mit Meerblick war vor langer Zeit verrottet und eingestürzt, und Craig selbst hatte an der Vorderseite des Hauses eine baufällige, mit Säulen geschmückte Holzveranda instand gesetzt, die auf die runde Asphaltzufahrt, einst ein kiesbestreuter Wendeplatz für Kutschen, hinausging.
Im Wald gab es von Kletterpflanzen überrankte Haufen zerklüfteten Gesteins: er nahm an, dass es Überreste der Sprengung der alten Hausfundamente waren. In den Anfangsjahren des zwanzigsten Jahrhunderts zogen Maurertrupps aus Italien durch diese Gegend und bauten mächtige Mauern, die nach und nach, Stein für Stein, zusammenbrachen. Eines Nachts stürzte ein Teil der Böschungsmauer ein, die die ehrgeizigsten Blumenbeete seiner Frau abstützte, und es wurden nicht bloß Erde und Blumen umhergestreut, sondern auch Schlacke, zerbröckelte Klinkersteine, die in einem Kohlenofen gebrannt worden waren, und ein Durcheinander aus alten Büchsen und Glasbehältern. Der Untergrund des Gartens war ein Schutt- und Müllabladeplatz gewesen. Wann war der Blumengarten angelegt worden? Vermutlich später, als Craig dachte – zur gleichen Zeit, als die Betonvertiefungen für die glasgedeckten Frühbeete gegossen wurden, abgesenkte Beete, die jetzt unter Rahmen aus morschem Holz, krümeligem Kitt und zerbrochenem Glas lagen.
Craig sah es so, dass das Anwesen vier Epochen erlebt hatte, bevor seine begann. Die erste Epoche war die der Entstehung und der liebevollen Instandhaltung, eine Zeit, da der hochgestimmte, frisch verheiratete reiche Mann noch lebte und Dienstboten mit Körben voll dampfender Wäsche von den steinernen Becken im Souterrain hinauseilten auf denmit Ziegeln gepflasterten Trockenplatz und das Regenwasser von den Dachrinnen aus geöltem Zedernholz in die Fallrohre floss und hinabgurgelte in funktionstüchtige unterirdische Abflussrohre. Dann starb dieser glückliche Mann, und die viel jüngere Witwe, die die Gesellschaft in Boston ihrem einsamen Haus auf dem Hügel vorzog, kümmerte sich nachlässig und fast nur aus der Ferne um ihren Besitz, sodass durch ein im Winter entstandenes Leck im Dach eine Esszimmerwand mit der handgedruckten französischen Landschaftstapete zuschanden ging und die Veranden des Sommerhauses, zierliche, mit Säulen und Balustraden geschmückte Vorbauten, die dem Wetter ausgesetzt waren, den Schneestürmen und den harschen Nordostwinden nach und nach erlagen. Dann kam eine Epoche, da auch sie tot war und das Haus leer stand. Vielleicht waren Vernachlässigung und Verfall vor allem diesem Interregnum zuzuschreiben, das kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endete, als eine junge, wachsende Familie das Anwesen als ganzjährigen Wohnsitz übernahm. Eine Zentralheizung wurde eingebaut, und von der grandiosen Empfangshalle wurde ein Teil abgetrennt und zu einem mit Kiefernholzpaneelen ausgestatteten Studio gemacht. Die Ziegelschornsteine wurden neu verfugt, und die brüchigen Dachschindeln wurden ersetzt. Durch den Krieg kamen die Instandsetzungsarbeiten vorübergehend zum Erliegen. Der Hausherr meldete sich zur Navy, um den Ozean zu befahren, der von den Fenstern aus zu sehen war, bis sie mit Verdunkelungspapier zugeklebt wurden.
Der Held kehrte als Konteradmiral zurück und lebte in dem Haus, bis er achtzig war und seine fünf Kinder alle fortgezogen waren und sich anderswo niedergelassen und selberFamilien gegründet hatten. Die meisten Sachen, die Craig im Wald fand, hielt er für Überbleibsel aus dieser langwährenden, umtriebigen Epoche – Einmachgläser, Blumentöpfe, Schrotpatronenhülsen, Gummireifen, halb eingesunken im vermoderten Laub und ein gelbes Rechteck schaumigen Wassers umschließend, Stücke von vergrabenen Rohren, verrostete Drahtstränge, die von einem einstigen Einzäunungsprojekt zeugten. Baumhäuser waren gebaut
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