Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Quelle des Flusses wollte, hauptsächlich jedoch, weil er diesen Augenblick gefürchtet hatte. Beim Bau des Drachens hatte er so gut es ging geholfen, aus der Überlegung heraus, wenn Gemma schon nicht von ihrer Wahnsinnstat abzubringen war, müsse er wenigstens dafür sorgen, dass sie eine Überlebenschance hatte. Jetzt war der Augenblick gekommen, und er konnte seine Zweifel und seine Befürchtungen nicht verbergen.
»Besteht keine Hoffnung, dass du deine Meinung änderst und statt dessen mit mir kommst?«
»Nein.« Sie sah ihn traurig an. »Ich muss es einfach tun. Das weißt du.«
»Alles nur wegen eines alten Buches, das vielleicht nicht einmal existiert?«
»Natürlich existiert es. Die schwebende Stadt befindet sich vielleicht nicht in unserer Welt, aber sie existiert. Schließlich warst du dort.« Sie hatten schon einmal darüber gestritten. »Und es war kein Zufall, dass wir dorthin gekommen sind. Ich war dazu bestimmt, das Buch zu finden. Nachdem ich es genommen hatte, konnte die Stadt verschwinden.«
»Vorherbestimmung, klar«, schnaubte er. »Was für ein absoluter Unsinn.«
»Nicht jeder ist dieser Ansicht«, erwiderte Gemma. »Denk daran, wie wir uns kennengelernt haben.«
»Tu ich ja.«
Sie saßen einen Augenblick schweigend da und sahen sich über den Zwischenraum der beiden Betten hinweg an.
»Wenn du dort bist«, begann Arden nach einer Weile, »wie willst du wissen, dass du den Zauber wiederherstellen kannst? Du bist keine Magierin.«
»Vielleicht doch«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Mir scheinen seltsame Dinge zuzustoßen. Das kann unmöglich alles Zufall sein.«
»Das stimmt allerdings«, erwiderte er, noch immer mit ernster Miene. »Aber das hier ist etwas anderes. In Shantis Buch stand nicht, um was es sich handelt, oder?«
»Nein. Das werden die Meyrkats erledigen«, sagte Gemma und hoffte darauf, sich nicht zu irren. »Der Schlüssel muss in ihren Legenden liegen.«
»Du riskierst dein Leben auf Grund so fadenscheiniger Angaben«, staunte Arden und schüttelte fassungslos den Kopf.
»Ich riskiere es für das Tal«, widersprach sie und fügte im stillen hinzu: Und für dich. »Genau wie du es tätest, wäre die Situation umgekehrt.«
»Du hattest nicht einmal Gelegenheit, dieses Ding auszuprobieren«, gab Arden zu bedenken.
»Du weißt, dass dafür keine Zeit ist«, erwiderte sie geduldig. »Was wäre außerdem, wenn es perfekt fliegen, aber bei der Landung zerschellen würde? Wenn das passiert, dann am Stein, wo es keine Rolle mehr spielt. Für Reparaturen haben wir keine Zeit.«
»Das ist auch ein Punkt«, fuhr er fort. »Angenommen, du erreichst tatsächlich den Stein und alles klappt, was willst du dann machen? Du bist alleine mitten in der Wüste, ohne Pferd und ohne Vorräte.«
Zu seiner großen Überraschung lachte Gemma lauthals los.
»Ich muss viele Meilen über Gebirge und Wüste fliegen und irgendwie einen gescheiterten Zauber erneuern«, sagte sie. »Danach werde ich mit Gedanken darüber machen, dass ich mitten im Nirgendwo stecke.«
»Mach keine Witze darüber«, fauchte er sie an, das Gesicht zu einer Mischung aus Wut und Sorge verzerrt.
»Oh, Arden.« Sie kam herüber und kniete vor ihm. Sie ergriff seine Hände und blickte in sein niedergeschlagenes Gesicht. »Mach dir nicht solche Sorgen. Einen besseren Drachen kann man nicht bauen. Schlimmstenfalls versteuere ich mich und lande zu weit vom Stein entfernt, um rechtzeitig dorthin zu kommen.«
»Schlimmstenfalls?« meinte er ungläubig. »Dass der Stoff reißen oder der Rahmen mitten in der Luft auseinanderfallen könnte, bereitet dir keine Sorgen?«
»Das wird nicht passieren. Ich vertraue den Leuten, die beim Bauen geholfen haben. Du warst schließlich auch dabei.«
Arden redete weiter, als hätte er nicht zugehört. »Was ist mit einem Sturm? Regen könnte den Drachen zu schwer machen. Oder du könntest von starken Winden gepackt und völlig von deinem Kurs abgebracht werden.«
»Es hat keinen Sinn, sich über Dinge zu sorgen, auf die wir keinen Einfluss haben«, erwiderte sie. »Ich bin nicht dumm, Arden. Ich habe an all diese Dinge gedacht, und ich muss es trotzdem versuchen.«
»Ich weiß«, gab er schließlich zu. »Aber ich werde nicht ... ich kann nicht einfach hierbleiben und zusehen.« Gemma sah die Qual hinter seinen Augen. »Entschuldige«, sagte er, im stillen um Vergebung und Verständnis flehend.
Gemma spürte einen Kloß in ihrer Kehle und konnte nicht sprechen. Sie hatte
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